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5. Der gerettete Jüngling.
J. G. v. Herder.
5. »Der gerettete Jüngling.
Eine schöne Menschenseele finden
ist Gewinn; ein schönerer Gewinn ist,
sie erhalten, und der schönst' und
schwerste,
sie, die schon verloren war, zu retten.
Sanct Johannes, aus dem öden
Patmos
wiederkehrend, war, was er gewesen,
seiner Heerden Hirt. Er ordnet' ihnen
Wächter, auf ihr Innerstes aufmerksam.
In der Menge sah er einen schönen
Jüngling; fröhliche Gesundheit glänzte
vom Gesicht ihm, und aus seinen Augen
sprach die liebevollste Feuerseele.
„Diesen Jüngling, sprach er zu dem
Bischof,
nimm in deine Hut! Mit deiner Treue
stehst du mir für ihn! — Hierüber zeuge
mir und dir vor Christo die Gemeine!“
Und der Bischof nahm den Jüngling
zu sich,
unterwies ihn, sah die schönsten Früchte
in ihm blühn, und weil er ihm vertraute,
ließ er nach von seiner strengen Auf—
sicht.
Und die Freiheit war ein Netz des
Jünglings.
Angelockt von süßen Schmeicheleien,
ward er müßig, kostete die Wollust,
dann den Reiz des fröhlichen Betruges,
dann der Herrschaft Reiz; er sammelt
um sich
seine Spießgesellen, und mit ihnen
zog er in den Wald, ein Haupt der
Räuber.
Als Johannes in die Gegend wieder
kam, die erste Frag' an ihren Bischof
war: „Wo ist mein Sohn?“ — Er
ist gestorben!“
sprach der Greis und schlug die Augen
nieder.
„Wann und wie?“ — „Er ist Gott
abgestorben.
ist (mit Thränen sag' ich es) ein Räuber.“
„Dieses Jünglings Seele, sprach
Johannes,
fordr' ich einst von dir. Jedoch wo
ist er2·
„Auf dem Berge dort!“ — „Ich muß
ihn sehen.“