Full text: [Teil 3 = Klasse 2 und 1, [Schülerband]] (Teil 3 = Klasse 2 und 1, [Schülerband])

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erzählt auch die Majestät Gottes, und die Wunder in der Erde sind ebenso 
mannigfaltig als auf ihr. Unbegreifliche Naturgewalten formten in dun¬ 
keln Werkstätten die Kristalle, formten das 5alz zum Würfel, den Cfuarz 
zur sechsseitigen Pyramide, stumpften an dem einen Kristallkörper die 
Ecken ab, an einem andern die Kanten, und konnten sie ungestört wirken, 
dann setzten sie mit einer Genauigkeit die Flächen zusammen, als hätten 
sie Zirkel und Winkelmaß gebraucht, glätteten mit einer Sauberkeit jede 
Seite, als sei eine Lchleifmaschine dabei tätig gewesen, verliehen dem 
Ganzen einen Glanz, den der geschickteste Künstler nicht nachzuahmen 
vermag. In Millionen mal Millionen Exemplaren wiederholt schon ein 
einziger Kristallkörper diese Wunder des Zteinreichs, und was die tätigste 
Phantasie an Formen hätte ausdenken können, auch das haben jene Kräfte 
unbewußt nach dem Willen des Weltenmeisters vollbracht, von der ein¬ 
fachen Form des Würfels mit seinen sechs Flächen stellen sie alle nur 
möglichen Kristallformen dar und schließen noch zur Erhaltung derselben 
nie ruhende Kräfte ein. Zwar pulsiert im Zteine, über den unser Fuß 
dahingeht, kein herz und kreist in ihm kein Nahrungsstoff, aber in jedem 
Rugenblicke kettet eine geheimnisvolle Kraft ein Rtom desselben an das 
andere, daß er nicht in Btaub zerfällt, in jedem Rugenblicke strebt wieder 
eine andere Kraft dieser entgegen, damit sie nicht das Übergewicht be¬ 
kommt. Wie die Zieh- und Fliehkräfte in dem großen Weltenraume die 
Himmelskörper in ihrem Gleise erhalten, so kämpfen verwandte Kräfte 
unaufhörlich in leisen, unmerklichen Schwingungen auch in dem starren 
5teine, mag er es zur Kristallform gebracht haben oder nicht, um ihm 
seine Gestalt zu erhalten. 
Rber nicht nur hartes Gestein ist in der Erde verborgen, es liegt 
auch eine ganze Tier- und Pflanzenwelt in ihr vergraben, und der ge¬ 
öffnete Mund der Erde erzählt von einer untergegangenen 5chöpfung, 
die kein Rüge gesehen, auf daß wir uns beugen vor der Macht dessen, 
der Berge emporrichtete und Täler versenkte, der die Feuerflammen zu 
seinen Dienern und die Winde zu seinen Boten machte. Da liegen in 
hartem Gestein eingebettet: schwimmende und fliegende Eidechsen von 
abenteuerlicher Gestalt, kletternde und grabende Faultiere von schrecken¬ 
erregender Größe, riesige Elefanten mit gewaltigen 5toßzähnen, Bären 
und Hyänen, Flußpferde und Zeefische. Selbst auf hohen Bergen, wo 
jetzt der Hirt das Bind und die Ziege weidet und der Jäger das scheue 
Wild jagt, findet man unter dem duftenden Grase die Überreste von Zeetieren, 
die einst über diesem Boden in den Fluten ihr Wesen trieben. Reiche Ernte hat 
da der Tod unter großen und kleinen Tieren gehalten. Ist doch mancher 
Leichenstein der untergegangenen Tierleiber so mit dem Fette derselben 
getränkt, daß er brennt wie ein Docht, wenn man ihn ins Feuer hält;
	        
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