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4 Grtrun bat die Krme, vom Schemel aufzustehn
Und getrost von hinnen in den Saal mit ihr zu gehn;
Dort möge sie behaglich an gutem wein sich laben.
„Und geh' ich auch, Ihr werdet zu Eurer Königin mich nimmer
haben."
5 „Ihr wisset wohl, Herr Hartmut", sprach sie dort im Saal,
„Man hat mich einem König zu rechtem Ehgemahl
Mit festem Eid versprochen. Drum laßt von Eurem Werben!
Mich minnt kein andrer Kecke, es müßte denn mein Unverlobter
sterben."
6. Da sprach der König Hartmut: „Ihr sorgt Euch ohne Not.
Uns beide scheidet niemand; das kann allein der Tod.
Ihr sollt in rechten Züchten bei meiner Schwester weilen.
Der darf ich wohl vertrauen, sie wird mit Eifer Euren Kummer
heilen."
7. Hartmut mochte wähnen, daß ihr getreuer Mut
Sich doch erweichen lasse in Grtruns milder Hut.
Die tat ihr alles Beste mit dienstbereitem Sinne.
Es hofften alle beide, daß man die edle Jungfrau noch gewinne.
8. Sie blieb bei harter Hebe; das traf den König schwer.
„Herrin Gudrun", sprach er, „ich bin so gut wie er;
Noch mess' ich mich mit Herwig; warum ob allen Ehren
Des Fürsten Liebe schätzen? warum mein herz so oft durch hohn
versehren?"
9. Zu neuer Glut entbrannte Gerlindens Kache nun;
Sie ließ fortan die Jungfrau nur wunderselten ruhn.
Die man bei Fürstentöchtern mit allem Fug und Kechte
Kllzeit finden mußte, sie hauste bei geringem Frongeschlechte.
10. Es sprach die alte Wölfin mit haßerfülltem Mut:
„Ich will, daß alle Dienste mir Hildens Tochter tut.
Da sie in ihrer Bosheit mit ihrer Treu sich blähte,
So soll sie Krbeit leisten, die sie aus freier Wahl mir nimmer täte."
11. Da sprach die edle Jungfrau: „was irgend ich vermag
Mit Geschick und Eifer, das soll bei Nacht und Tag
Mit Fleiß von mir geschehen; ich raste keine Stunde,
Dieweil des Unglücks Strenge mich riß aus meiner Freunde trautem
Bunde."