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Und schied die Treuen beide
von allem ihren Leide
Und machte ihn von dieser Stund
wieder rein und ganz gesund. . .
In der Heimat wird der arme Heinrich
freudig von jedermann begrüßt, und hohe
Ehren werden ihm zuteil. Und welche
unsägliche Freude erst bereitet den Uleiers-
leuten die Wiederkehr der Tochter! Der
Kitter aber wird reicher als vorher an
Gut und frommem Mute. Dem Meier
und seiner Frau schenkt er den kjof,
wo er siech lag, mit allem, was dazu
gehört, und die Jungfrau, die so frei
wie er ist, wählt er zum Trautgemahl
und lebt mit ihr viele Jahre in glück¬
lichster Ehe.
Wolfram von Eschenbach (ch nach 1217).
(Duelle: Hertz, ID., parzival von U). von Eschenbach, neu bearbeitet. Stuttgart 1898.
ñus „parzival".
3. Die Gralburg.
.. Schon rückt' die Ubendzeit heran;
Da lag vor ihm ein See im Tann,
wo er auf Rufesweite nah
Ein Boot mit Aschern ankern sah,
Und unter ihnen ruhte
Ein Mann im psauenhute,
Der trug so prächtige Gewände,
Uls ob ihm dienten alle Lande.
Den bat er: „Gott und Euch zu
ehren,
Geruhet, Herr, mich zu belehren,
wo ich hierherberg finden kann." —
„Herr", sprach der traurig-ernste
Mann,
„Ñus dreißig Meilen in der Rund
Ist mir kein Menschenwohnsitz kund
Uls eine Burg nicht fern von hier.
Die sucht! denn sonst, wo bliebet Ihr?
Dort, wo die Felsen enden,
Müßt Ihr nach rechts euch wenden,
wenn Ihr das Roß zum Graben
lenkt,
So heischt, daß man die Brücke senkt,
Daß Luch der Zugang werde frei."
Er dankt' dem Herrn und ritt vorbei.
Der ries noch: „wenn Ihr nicht verirrt,
Bin dort ich selbst heut' Euer Wirt,
Und Euer Dank sei wie die Pflege,
habt acht! Es gehn da falsche Wege:
Dort, wo die Halden abwärts gleiten,
Könntet Ihr leicht irre reiten.
Das wär mir leid, bei meinem
Wort!" —
Der Held ritt von den Männern
fort
Und folgte gleich in scharfem Traben
Dem rechten Pfad bis an den
Graben.
Die Brücke war emporgeschlagen:
wer nicht vom winde wird getragen
Oder fliegt mit vogelsschwingen,
Der denke nicht, dort einzudringen.
Die Aste, die er vor sich sah,
wie glattgedrechselt stand sie da,
Unnahbar trotzend jedem Sturm.
Manch ein Palast und manch ein
Turm
Ragt' auf mit wunderbarer wehr.
Zög aller Völker Macht daher,
Man achtet' ihrer nicht ein haar,
Und lägen sie da dreißig Jahr.