Full text: [Teil 3 = Klasse 2 und 1, [Schülerband]] (Teil 3 = Klasse 2 und 1, [Schülerband])

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was einer je vom Gral begehrt, 
Vas ward ihm in die Hand gewährt, 
Speise warm und Speise kalt, 
Gb sie frisch sei oder alt, 
Ob sie wild sei oder zahm. 
Wer meint, daß dies zu wundersam 
Und ohne Beispiel wäre, 
Der schelte nicht die Märe. 
Dem Gral entquoll ein Strom von 
Segen, 
vom Glück der Welt ein vollster 
Uegen. 
Er galt fast all dem höchsten gleich, 
wie man's erzählt vom Himmelreich. 
In kleinen goldnen Schalen kam, 
was man zu jeder Speise nahm: 
Gewürze, Pfeffer, leckre Brühn. 
Aß einer zaghaft oder kühn, 
Sie fanden insgesamt genug, 
wie man's mit Anstand vor sie trug, 
wein, Maulbeertrank, Siropel rot, 
wonach den Becher jeder bot, 
Und welchen Trank er mochte 
nennen, 
Den konnt' er gleich darin erkennen, 
Alles durch des Grales Kraft. 
Die ganze werte Ritterschaft 
war so zu Gaste bei dem Gral. 
Wohl sah mit Staunen parzival 
Die Pracht der Wunder sich bezeigen; 
Jedoch aus Anstand wollt' er 
schweigen. 
Lr dachte: Der getreue Mann 
Gurnemanz befahl mir an, 
vieles fragen zu vermeiden. 
Drum will ich höflich mich bescheiden 
Und warten, bis man ungefragt 
von diesem Haus mir alles sagt, 
wie man bei Gurnemanz getan. — 
Drauf sah er einen Knappen nahn 
Mit einem Schwerte schön und stark; 
Die Scheide galt wohl tausend Mark, 
Der Griff ein einziger Rubin. 
Das ward vom Wirt dem Gast 
verliehn: 
„Ich hab' es oft im Kampf getragen, 
Bis Gott am Leibe mich geschlagen. 
Herr, nehmt es als Ersatz entgegen, 
Sollt' man Euch hier nicht wohl ver¬ 
pflegen." 
Ach, daß auch jetzt er nicht gefragt! 
Um seinetwillen seis geklagt, 
Da mit dem Schwert, das er empfing, 
Die Mahnung doch an ihn erging. 
Auch jammert mich sein Wirt zumal; 
Venn von der ungenannten Oual 
würd' er durch seine Frage frei. 
Damit war nun das Mahl vorbei. 
Die Diener griffen nach dem Gold; 
Die wagen wurden hergerollt 
Und vollgeladen insgesamt, 
Und jede Jungfrau tat ihr Amt, 
Jedoch die letzte nun als erste. 
Mit dem Geleite trat die hehrste 
vor allen wieder zu dem Gral, 
Und vor dem Wirt und parzival 
Neigt' wiederum die Herrin sich 
Mit allen Jungfraun feierlich, 
woraus den Gral sie mit sich nahmen 
Zur Tür hinaus, durch die sie kamen, 
parzival blickt' ihnen nach 
In das eröffnete Gemach; 
Dort lag der schönste alte Mann, 
von dem er Kunde je gewann, 
weißer noch als Reif sein haar. .. 
Drauf sprach der Wirt dem 
Gaste zu: 
„Herr, Ihr bedürft nun wohl der Ruh! 
Ich denke, daß Ihr müde seid. 
Geht, Euer Lager steht bereit." —
	        
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