Full text: [Teil 3 = Klasse 2 und 1, [Schülerband]] (Teil 3 = Klasse 2 und 1, [Schülerband])

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3. Erzählendes und Lehrhaftes. 
1. Stationirer1) und Landsknecht. [3n Urschrift.) 
Ein Stationirer, der furgab, er fönte die Seelen ausnt Fegfeur 
mit seinem Heiligtum und Ublas, den der Heiligeste Vater, der Bapft, 
dazu gegeben hatte, erretten, kam an einen (Drt, da gieng ein Lands¬ 
knecht zu ihm und sprach: „Herr, wenn ich gewis wüste, das die Seelen 
meiner Eltern und Freunde erlöset würden, so hab ich noch zwene 
Gülden, die walt ich euch zwarten (wahrlich) geben." Er aber, der 
Stationirer, sprach: „was ist dein Vater sur ein Mann gewest?" Der 
Landsknecht sprach: „Es ist ein sromer Mann gewest." Darauf sagte 
der Stationirer: „So ist er nicht in der helle", und fragte weiter: 
„Thut er denn auch Wunderzeichen?" „Nein", sprach der Landsknecht. 
Da sagte der pfasf: „So ist er im Fegefeuer." Und der Krieger gab 
ihm ein patzen und erlösete damit seinen Vater. Darnach fragte er 
seiner Mutter halben, ob die auch fönte erlöset werden. Da forschete 
der Stationirer, wie zuvor vom Vater, was sie für eine Frau gewest 
wäre, und schlosse, das sie im Fegseur wäre. Da gab ihm der Krieger 
abermal ein patzen. Und also fort für die andern seine Freunde, das 
er 14 Seelen ausm Fegefeur erlösete mit 14 patzen. Da sprach er: 
„Herr, ich bin gewis, das sie nu erlöset und selig seien?" „Ja", sprach 
der Pfasf, „ich schwere dir einen Eid, das sie selig sind." „wohlan", sagt 
der Landsknecht, „Herr, ihr habt gerne Gold; gebt mir die 14 patzen 
wider, so wil ich euch ein Goldgülden dafür geben." Da ihm nu der 
Stationirer dieselben gab, nam sie der Landsknecht wider zu sich und 
sprach: „Die Seelen sind nu im himel, können nicht wider heraus. Ich 
bedarf das Geld bas denn ihr, lieber Herr." Und gieng also davon. 
2. Gottes Korn und Bohne. [3n Urschrift.) 
Das Korn wird für unsern Bugen in den Ucker geworfen und ge- 
fäet; nu frage alle Vernunft darümb: was ist das Korn im Winter, so 
in den Ucker gesäet ist? 3st es nicht ein erstorben, vermodert und ver¬ 
faulet Ding, mit Frost und Schnee zugedeckt? Dennoch wächst zu seiner 
Zeit aus demselben erstorbenen, vermoderten und verfauleten Korn ein 
feiner, schöner grüner Halm, welcher daher blüet wie ein Wald, und ge¬ 
winnet eine volle, dicke Ühern, da zwenzig, dreissig, sechzig Körner innen 
sind, und findet sich das Leben, da zuvor eitel Tod war. 
Uuf solche weise köndte sich ein Bauersman aus seinem Ucker ein 
feine Bibel machen und von seinem Samen, so er säet, studieren und 
I) klblaßhändler.
	        
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