169
Von den Trümmern der versunkenen Stadt, die der Volksglaube
auch im Meeresschoße noch in alter Herrlichkeit träumt, singt Wil¬
helm Müller folgende Verse:
Aus des Meeres tiefem, tiefem Grunde
Klingen Abendglocken dumpf und matt,
Uns zu geben wunderbare Kunde
Von der schönen, alten Wunderstadt.
In der Fluten Schoß hinabgesunken,
Blieben unten ihre Trümmer stehn.
Ihre Zinnen lasten goldne Funken
Wiederscheinend auf dem Spiegel sehn.
Und der Schiffer, der den Zauberschimmer
Einmal sah im hellen Abendrot,
Nach derselben Stelle schifft er immer.
Ob auch ringsumher die Klippe droht.
VII. 03pfrfiirfitCirsics.
76. Die Religion der alten Ägypter.
«Karl von Roth.)
In Ägypten herrschte die Vielgötterei. Die befruchtende Kraft,
welche von der Sonne ausgeht und alljährlich im Schoße der Erde
die Keime der Pflanzen belebt und Blüten und Früchte hervorbringt,
verehrten die Ägypter unter dem Namen des Osiris und stellten sich
diese Kraft vor als einen männlichen Gott: die Erde, welche als eine
gütige Mutter allenthalben, besonders aber in dem fruchtbaren Nil-
thale, reichliche Nahrung für Menschen und Vieh spendet, hielten sie
für die Gattin des Sonnengottes und beteten sie unter dem Namen
Isis an. Aber wie sie die wohlthätigen Kräfte der Natur als gütige
lind fegenverleihende Götter betrachteten, so glaubten sie auch in schäd¬
lichen, das Land austrocknenden Winden, z. B. in dem Winde, der
aus der benachbarten Sandwüste herwehte, in Sonnen- und Mond-
finsternissen, in der dunkleren Zeit des unfruchtbaren Winters, über¬
haupt in allem, was den Wirkungen des Osiris und der Isis feindlich
gegenüberstand, die Kraft einer gegen die Menschen und ihre Be¬
schützer feindselig gesinnten Gottheit zu erkennen, welche sie sich als