Full text: [Abteilung 2 = Für die mittleren Klassen, [Schülerband]] (Abteilung 2 = Für die mittleren Klassen, [Schülerband])

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8. Mitten in dem Maienglück 
Lag ein Kirchhof innen, 
Der den raschen Wanderblick * 
Hielt zu ernstem Sinnen. 
9. Hingelehnt an Bergesrand 
War die bleiche Mauer, 
Und das Kreuzbild Gottes stand 
Hoch in stummer Trauer. 
10. Schwager ritt auf seiner Bahn 
Stiller jetzt und trüber, 
Und die Roste hielt er an, 
Sah zum Kreuz hinüber: 
11. „Halten muß hier Roß und 
Rad, 
Mag's Euch nicht gefährden; 
Drüben liegt mein Kamerad 
In der kühlen Erden; 
12. Ein gar herzlieber Gesell. 
Herr, 's ist ewig schade! 
Keiner blies das Horn so hell 
Wie mein Kamerade. 
13. Hier ich immer halten muß, 
Dem dort unterm Rasen 
Zum getreuen Brudergruß 
Sein Leiblied zu blasen." 
14. Und dem Kirchhof sandt' er zu 
Frohe Wandersänge, 
Daß es in die Grabesruh' 
Seinem Bruder dränge. 
15. Und des Hornes heller Ton 
Klang vom Berge wieder, 
Ob der tote Postillon 
Stimmt' in seine Lieder. — 
16. Weiter ging's durch Feld 
und Hag 
Mit verhängtem Zügel; 
Lang mir noch im Ohre lag 
Jener Klang vom Hügel. 
466. Nadowessische Totenklage. 
(Friedrich von Schiller.) 
1. Seht, da sitzt er aus der Matte! 
Aufrecht sitzt er da 
Mit dem Anstand, den er hatte, 
Als er's Licht noch sah. 
2. Doch, wo ist die Kraft der Fäuste, 
Wo des Atems Hauch, 
Der noch jüngst zum großen Geiste 
Blies der Pfeife Rauch? 
3. Wo die Augen, falkenhelle, 
Die des Renntiers Spur 
Zählten auf des Grases Welle, 
Auf dem Tau der Flur? 
4. Diese Schenkel, die behender 
Flohen durch den Schnee 
Als der Hirsch, der Zwanzigender, 
Als des Berges Reh? 
5. Diese Arme, die den Bogen 
Spannten streng und straff? 
Seht, das Leben ist entflogen! 
Seht, sie hangen schlaff! 
6. Wohl ihm, er ist hingegangen. 
Wo kein Schnee mehr ist, 
Wo mit Mais die Felder prangen. 
Der von selber sprießt; 
7. Wo mit Vögeln alle Sträuche, 
Wo der Wald mit Wild, 
Wo mit Fischen alle Teiche 
Lustig sind gefüllt! 
8. Mit den Geistern speist er droben. 
Ließ uns hier allein, 
Daß wir seine Thaten loben 
Und ihn scharren ein. 
9. Bringet her die letzten Gaben, 
Stimmt die Totenklag'! 
Alles sei mit ihm begraben, 
Was ihn freuen mag! 
10. Legt ihm unters Haupt die Beile, 
Die er tapfer schwang, 
Auch des Bären fette Keule, 
Denn der Weg ist lang; 
11. Auch das Messer, scharf ge¬ 
schliffen, 
Das vom Feindeskops 
Rasch mit drei geschickten Griffen 
Schälte Haut und Schopf! 
12. Farben auch, den Leib zu malen. 
Steckt ihni in die Hand, 
Daß er rötlich möge strahlen 
- In der Seelen Land!
	        
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