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Millionen Gelenke. Sie folgt daher dem Zug der Schwere, einem
zähen Tonbrei vergleichbar, und gleitet auf der geneigten Sohle ihres
Tales langsam hinab, indem sie dessen Windungen folgt, sich durch
dessen Verengungen hindurchzwängt und in seinen Erweiterungen sich
ausbreitet. Das untere Ende des Gletschers mutz sich naturgemätz
dort befinden, wo gerade so viel Eis, als von oben nachgeschoben wird,
abschmilzt, und reicht sehr oft tief unter die Schneegrenze hinab. 2o
endigt der untere Grindelwaldgletscher in den Berner Alpen, woselbst
die Schneegrenze in einer Höhe von 2700 Meter liegt, erst in einer
Meereshöhe von 1000 Meter, und so kann es kommen, datz dicht
neben den Eismassen der Gletscher grüne Malten sich ausbreiten,
Obstbäume gedeihen und Getreidesaaten reifen. Nicht in allen Teilen
der Eismasse ist deren Bewegung eine gleich grotze. Die Unter¬
suchungen, welche zwei schweizerische Gelehrte, Forel und Gosset, im
Auftrage des schweizerischen Alpenklubs am Nhonegletscher angestellt
haben, zeigen, datz die Geschwindigkeit des Eisstromes in dessen
oberen Teilen zu-, in dessen unteren jedoch abnimmt. Sie ist auch in
der Querrichtung des Gletschers verschieden und erfolgt hier rasche
in dessen Mitte als an dessen Rändern. Die mittlere Bewegung des
Mer de Glace im Chamonirtale beträgt jährlich 80 bis 250 Meter.
Was die Flächenausdehnung der Gletscher betrifft, so ist auch
diese sehr verschieden. Der längste Gletscher der Alpen, der grotze
Aletschgletscher im Wallis, nimmt eine Gesamtfläche von 128,90
Quadratkilometer ein. Ganz gewaltig ist der Inhalt eines grotzen
Gletschers. Nach den Berechnungen von Heim hat der Aletschgletscher
von der Firnlinie, d. h. von der Stelle, woselbst der eigentliche Eis¬
strom anfängt, abwärts gemessen ein Volumen von etwa 10800000000
Kubikmeter. Vom Gornergletscher im Wallis haben die Engländer
berechnet, datz aus seinem Eise in massiven, hausförmigen Eisklötzen
drei Städte wie London erbaut werden könnten.
Die Verwitterung löst von den benachbarten Berggipfeln Steim
müssen los, die auf den Gletscher niederrollen unb dessen Eis mit
Felsblöcken, Schutt und Gras bedecken. Diese Gebilde trägt der Eis¬
strom allmählich talabwärts mit sich fort, und so entstehen an den
Rändern des Gletschers mächtige, wallartige Anhäufungen dieser Ver¬
witterungsprodukte, die Gandecken oder Moränen, auch Guferlinien
genannt, wobei Gufer soviel besagen will als Schutt. Treffen zwel
aus verschiedenen Firnmulden entspringende Gletscher zusammen, um
sich zu einem zusammengesetzten Gletscher zu vereinigen, so bilden die