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II. Das Lehrgedicht.
DenJüngling begeistert ihrZauberschein,
Sie wird mit dem Greis nicht begraben;
Denn beschließt er im Grabe den müden ;
Lauf:
Noch am Grabe pflanzt er — die
Hoffnung auf.
3. Es ist kein leerer, schmeichelnder
Wahn,
Erzeugt im Gehirne des Toren;
Im Herzen kündet es laut sich an:
Zu was Besserem sind wir geboren,
Und was die innere Stimme spricht,
Das täuscht die hoffende Seele nicht.
207. Aus der Weisheit des Brahmanen.
(friedlich Rückert.)
1. Wer Furcht vor keinem hegt, Furcht keinem auch erregt,
Sieht den furchtbaren Tod, von keiner Furcht bewegt.
Wer keine Lust verstört, von keiner Lust betört,
Erlangt die höchste Lust, wo alle Lust aufhört.
Wem hoch und niedrig gleich, gleich viel ist hart und weich,
Gleichgültig reich und arm, der ist in Armut reich.
Wer Lieb' mit Lieb' umfaßt und selbst den Haß nicht haßt,
Der ist zu Hause dort, hier auf der Welt ein Gast.
2. Bedenke, daß ein Gott in deinem Leibe wohnt,
Und vor Entweihung sei der Tempel stets verschont.
Du kränkst den Gott in dir, wenn du den Lüsten frönest,
Und mehr noch, wenn du in verkehrter Selbstqual stöhnest.
Gott stieg herab, die Welt zu schaun mit deinen Augen;
Ihm sollst du Opferduft mit reinen Sinnen saugen.
Er ist's, der in dir schaut und fühlt und denkt und spricht;
Drum, was du schaust, fühlst, denkst und sprichst, sei göttlich Licht.
3. Ich freue jeden Tag dem Abend mich entgegen
Und jede Nacht im Traum mich auf den Morgensegen.
Ich freue stille mich mit ungestümer Lust,
Nicht ungeduldig ist die Freud' in meiner Brust.
206. Hoffnung.
(Friedrich von Schiller.)
1. Es reden und träumen die Men¬
schen viel
Von bessern künftigen Tagen;
Nach einem glücklichen, goldenen Ziel
Sieht man sie rennen und jagen.
DieWelt wird alt und wird wieder jung,
Doch der Mensch hofft immer Ver¬
besserung!
2. Die Hoffnung führt ihn ins Leben
ein,
Sie umflattert den fröhlichen Knaben,