Ich freu' mich auf die Stund' und auf den Augenblick,
Auf Groß und Kleines, mein und anderer Geschick.
Vom Herbst den Winter durch freu' ich dem Lenz mich zu
Und aus dem Sommer durch den Herbst zur Winterruh'.
Ich freu' mich durch des Jahrs und durch des Lebens Zeit
Und aus der Zeit hinaus mich in die Ewigkeit.
4. Sechs Wörtchen nehmen mich in Anspruch jeden Tag:
Ich soll, ich muß, ich kann, ich will, ich darf, ich mag.
Ich soll, ist das Gesetz, von Gott ins Herz geschrieben,
Das Ziel, nach welchem ich bin von mir selbst getrieben.
Ich muß, das ist die Schrank', in welcher mich die Welt
Von einer, die Natur von andrer Seite hält.
Ich kann, das ist das Maß der mir verliehnen Kraft,
Der Tat, der Fertigkeit, der Kunst und Wissenschaft.
Ich will, die höchste Krön' ist dieses, die mich schmückt,
Der Freiheit Siegel, das mein Geist sich aufgedrückt.
Ich darf, das ist zugleich die Inschrift bei dem Siegel,
Beim aufgetanen Tor der Freiheit auch ein Riegel.
Ich mag, das endlich ist, was zwischen allen schwimmt,
Ein Unbestimmtes, das der Augenblick bestimmt.
Ich soll, ich muß, ich kann, ich will, ich darf, ich mag:
Die sechse nehmen mich in Anspruch jeden Tag.
Nur wenn du stets mich lehrst, weiß ich, was jeden Tag
Ich soll, ich muß, ich kann, ich will, ich darf, ich mag.
HI. Die poetische Epistel.
208. An feinen Fritz.
(L. F. Günther von Göckingk.)
Vielleicht, daß dann die Hände schon
verwesen,
Die dies jetzt schreiben, liebes Kind,
Wenn du dereinst das Blatt wirst lesen;
Vielleicht, daß schon der Abendwind
Mit dem Vergißmeinnicht undVeilchen [5
Auf meines Grabes Hügel spielt,
Wann erst deinHerz das volleLeben fühlt!
Dann, guter Junge, fetz ein Weilchen
Dich auf den Rasenhügel hin
Und denke, daß mein Leib in Millionen
Teilchen [10
Allein zerflog, ich aber selbst noch bin.
Und ist's erlaubt dem unsichtbaren
Wesen,
Das in mir denkt, — o, so umschweb' ich
dich,
Wenn du dies Blatt gerührt wirst lesen