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„Set ruhig, bleibe ruhig, mein Kind!
in dürren Blättern säuselt der wind."
„willst, seiner Rnabe, du mit mir gehn?
Meine Töchter sollen dich warten schön,'
meine Töchter führen den nächtlichen Reihn
und wiegen und tanzen und singen dich ein."
„Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort
Erlkönigs Töchter am düstern Grt?"
„Mein Sohn, mein Sohn, ich seh' es genau,
es scheinen die alten weiden so grau."
„Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt;
und bist du nicht willig, so brauch' ich Gewalt!"
„Mein Vater, mein Vater, jetzt faßt er mich an!
Erlkönig hat mir ein Leids getan!"
Dem Vater grauset's, er reitet geschwind,
er hält in den Rrmen das ächzende Rind,
erreicht den Hof mit Müh' und Not;
in seinen Rrmen das Rind war tot.
Johann Wolfgang v. Goeth
93. Morgenwanderung.
ÑUS dunklen Talen, wo die Sorge rauscht,
lenk' ich den Schritt auf vielgewundnen wegen
dem ernsten Reich der Einsamkeit entgegen.
Längst blieb des Städtchens muntres Bild zurück,
die Buchenwälder wichen scheu zur Seite,
die schlanke Tanne gibt mir das Geleite.
Dann bleibt auch sie und macht den Riefern Platz.
Ñrmselig Volk, gekrümmt von Sturm und Wettern,
das kaum den Mut noch hat, empor zu klettern.
Und nun allein! Rein Laut des Lebens mehr
dringt an mein Ghr, im klaren Morgenscheine
steh' ich allein im Totenreich der Steine.
wie groß! wie still'! In Ñndacht bebt mein herz,
denn zu mir nieder in dem heil'gen Schweigen
fühl' ich die Gottheit ihre Stirne neigen.