Full text: Prosalesebuch für Obertertia und Untersekunda der Vollanstalten oder Klasse II und I der Realschulen (Teil 5, [Schülerband])

26. Die Teilnahme des Bürgers am Staatsleben. 
Carl von Clausewitz. — R. Schwartz, Leben des Generals Carl von Clausewitz. 
Bd. II. Berlin 1878. 
1813 waren die Deutschen einig, das Vaterland von dem Joch 
der Fremdherrschaft zu befreien; nach der ersten Einnahme von Paris 
war die Sehnsucht der Vaterlandsfreunde dahin gerichtet, einen festen 
Staatsverband für Deutschland zu gewinnen. Als Napoleon zum 
5 zweiten Male besiegt und abgesetzt war, brachte die Bundesakte nur 
einen losen Verband der deutschen Staaten zustande. Da trat seit 
1816 mehr und mehr in den Einzelstaaten die Forderung einer Ver¬ 
fassung auf, welche die Rechte des einzelnen Bürgers gegenüber der 
Regierungsgewalt und die Mitwirkung der Untertanen an Gesetzgebung 
io und Besteuerung sicher stellen sollte. 
Über dieses Verlangen nach Repräsentationsverfassungen schrieb 
ums Jahr 1820 der Freund Scharnhorsts und der Gehilfe Gneisenaus 
bei der Verwaltung der Rheinprovinz, General Carl von Clausewitz, 
Betrachtungen nieder. Ihm schien die Teilnahme des Volkes am 
iö Regiment bedenklich; um der äußeren Politik und inneren Verwaltung 
Weisheit, Kraft und Stetigkeit zu geben, hielt er einen festgefügten 
Staatsrat für tauglicher als einen Nationalrat. Denn von denen, 
welche den Konstitutionen das Wort redeten, meinte er, sie hätten 
weniger die wirklichen Schritte der Regierungen und ihre Maßregeln 
so im Auge als die schönen Reden im Parlament. Clausewitz schildert, 
was von einer Volksvertretung gehofft wurde, und prüft dann diese 
begeisterte Stimmung an dem Wert für den eigentlichen Staats¬ 
zweck, indem er folgendes ausführt: 
„Durch die öffentlichen Verhandlungen eines Landtages kommt 
25 — so hofft man — eine unendliche Menge von kleinen Interessen 
in den Kurs des bürgerlichen Lebens, und diese werden demselben 
einen viel größeren Reiz geben. Das große Interesse des Staates 
werde so gewissermaßen in Münze umgesetzt, und diese ergieße sich 
über gewisse Teile der Gesellschaft und belebe ihren Staatsverkehr, 
so Wenn man die Geschichte der- französischen Revolution in der Zeit 
ihrer Nationalversammlungen bis in die Einzelheiten verfolge, so be¬ 
komme man einen Begriff von der Realität dieser Wirkung. Dieses 
Leben und Weben, dieses Treiben und Reiben, dieses Ringen und 
Erschwingen, diese Furcht und Hoffnung, diese Angst und Freude, 
»5 dieses Zusammenhalten der Freunde und Verfolgen der Feinde, diese
	        
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