Full text: Prosalesebuch für Untertertia der Vollanstalten oder Klasse III der Realschulen (Teil 4, [Schülerband])

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fleißigen Bergmann belohnt sie bald mit dem edelsten Gewürze, 
dem Salze, bald mit Silber und Gold, hinreichend für den Verkehr 
und die Verzierung des Lebens, bald mit Eisen in Menge, dem 
Manne zur Waffe und Wehr, zu Schutz und Schirm dem Volke. 
5 Ein solches Land, mit so reichen Gaben, Eigenschaften und 
Kräften ausgestattet, ist von der Natur unverkennbar bestimmt, 
ein grosses und starkes Volk zu ernähren in Einfalt und Tugend 
und eine hohe Bildung des Geistes in diesem Volke durch Übung 
und Anstrengung zu erzeugen, zu erhalten, zu fördern, 
io Auch ist das Land nicht umsonst bestimmter Grenzen beraubt 
gegen Morgen wie gegen Abend und selbst gegen Mitternacht. 
Die Bewohner können sich gegen den Neid, die Habsucht und den 
Übermut fremder Völker auf nichts verlassen als auf ihre eigne 
Kraft. Es gibt für sie keine Sicherheit als in ihrem festen Zu- 
i5 sammenhalten, in ihrer Einigkeit, in ihrer sittlichen Macht. 
Endlich ist den Bewohnern dieses Landes durch grosse und 
schöne Ströme das Meer geöffnet und der Zugang zur Welt. Aber 
das Meer drängt sich nicht so verführerisch an sie heran oder 
zwischen sie hinein, dass sie verlockt und dem heimatlichen 
20 Boden entfremdet werden könnten. Vielmehr kann der edlere 
Mensch dem Gedanken an eine deutsche Erde und an einen 
deutschen Himmel nicht entgehen, und dieser Gedanke scheint in 
ihm die Sehnsucht erhalten zu müssen zu der Welt seiner Geburt 
und die Liebe zu dem Boden seines Vaterlandes. 
55. Deutschlands überseeische Nachbarn. 
Friedrich Ratzel. Deutschland. Leipzig 1899. 
Auch die Länder, die jenseits der deutschen Meere liegen, 
sind unsere Nachbarn; wie oft haben sie sich mit ihren Kriegs¬ 
und Kaperschiffen und Landungstruppen viel unbequemer gezeigt 
als die Landnachbarn, deren Kräfte von schwerfälligerer Bewegung 
5 sind. Man spricht gewöhnlich nicht von Nordseemächten, weil 
die Nordsee, zu wenig geschlossen, nur Durchgangsmeer ist. Aber 
Englands Beziehungen zu Deutschland suchen den Weg über die 
Nordsee. Die Nordsee kreuzten einst die Angeln und Sachsen, 
die nach England übersetzten, und die Hansakaufleute, die Jahr- 
io hunderte lang den englischen Handel beherrschten. Als England 
selbständig geworden war, erschien ihm das durch die Nordsee 
von ihm getrennte Deutschland weit hinter dem näher gelegenen
	        
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