Adelbert von Chamisso. 459
gesättigt; nun wußt' ich verdrießlich nicht, was ich damit anfangen sollte
Es durfte nicht so liegen bleiben; ich versuchte, ob es der Beutel wieder
verschlingen wollte; nein! Keines meiner Fenster öffnete sich über die
See. Ich mußte mich bequemen, es mühsam und mit saurem Schweiß
zu einem großen Schrank, der in einem Kabinet stand, zu schleppen und
es darin zu verpacken. Ich ließ nur einige Hand voll da liegen Nach—
dem ich mit der Arbeit fertig geworden, legt' ich mich erschöpft in einen
Lehnstuhl und erwartete, daß sich Leute im Hause zu regen anfingen.
Ich ließ, sobald es möglich war, zu essen bringen und den Wirt zu mir
kommen.
Ich besprach mit diesem Manne die künftige Einrichtung meines
Hauses. Er empfahl mir für den näheren Dienst um meine Person einen
gewissen Bendel, dessen treue und verständige Physiognomie mich gleich
gewann. Derselbe war's dessen Anhänglichkeit mich seither tröstend durch
das Elend des Lebens begleitete und mir mein düsteres Loos ertragen
half. Ich brachte den ganzen Tag auf meinen Zimmern mit herrenlosen
Knechten, Schustern, Schneidern und Kaufleuten zu; ich richtete mich ein
und kaufte besonders sehr viele Kostbarkeiten und Edelsteine, um nur etwas
des vielen aufgespeicherten Goldes los zu werden: es schien aber gar nicht,
als könne der Haufen sich vermindern.
Ich schwebte indes über meinen Zustand in den ängstigendsten
Zweifeln Ich wagte keinen Schritt aus meiner Thür und leß abends
vierzig Wachskerzen in meinem Saal anzünden, bevor ich aus dem Dunkel
heraus kam. Ich gedachte mit Grauen des fürchterlichen Auftrittes mit
den Schulknaben. Ich beschloß, so viel Muth ich auch dazu bedurfte, die
öffentliche Meinung noch einmal zu prüfen. Die Nächte waren zu der
Zeit mondhell. Abends spät warf ich einen weiten Mantel um, drückte
mir den Hut tief in die Augen und schlich, zitternd wie ein Verbrecher,
aus dem Hause. Erst auf einem entlegenen Platze trat ich aus dem
Schatten der Häuser, in deren Schutz ich so weit gekommen war, an das
Mondeslicht hervor, gefaßt, mein Schicksal aus dem Munde der Vorüber—
gehenden zu vernehmen.
Erspare mir, lieber Freund, die schmerzliche Wiederholung alles
dessen, was ich erdulden mußte. Die Frauen bezeigten oft das tiefste
Mitleid, das ich ihnen einflößte: Außerungen, die mir die Seele nicht minder
durchbohrten als der Hohn der Jugend und die hochmüthige Verachtung
der Männer, besonders solcher dicken, wohlbeleibten, die selbst einen breiten
Schatten warfen. Ein schoͤnes, holdes Mädchen, die, wie es schien, ihre
Eltern begleitete, indem diese bedächtig nur vor ihre Füße sahen, wandte
von ungefähr ihr leuchtendes Auge auf mich; sie erschrak sichtbarlich, da
sie meine Schattenlosigkeit bemerkte, verhüllte ihr schönes Antlitz in ihren
Schleier, ließ den Kopf sinken und ging lautlos vorüber
Ich ertrug es länger nicht. Salzige Ströme brachen aus meinen
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