144
B. Lyrisch epische Poesie. VI. Erzählungen, Balladen, Romanzen.
Hundert Flüche jedem Felsenriffe,
Das sie nicht hat in den Grund ge¬
schmettert!
5. Täglich übers Meer in wilder Eile
Fliegen ihre Schiffe, gift'ge Pfeile,
Treffen unsre Küste mit Verderben.
Nichts hat uns die Räuberbrnt gelassen
Als im Herzen tödlich bittres Hassen:
Kommt, ihr Kinder, kommt, wir wollen
sterben!"
6. Also sprach der Alte, und sie schneiden
Ihren Nachen von den Uferweiden,
Drauf sie nach des Stromes Mitte
ringen;
Und nun werfen sie weithin die Ruder;
Armverschlungen, Vater, Sohn und !
Bruder
Stimmen an, ihr Sterbelied zu singen. ^
7. Laut ununterbrochne Donner krachen,
Blitze flattern um den Todesnachen,
Ihn umtaumeln Möwen sturmesmunter;
Und die Männer kommen fest entschlossen
Singend schon dem Falle zugeschossen,
Stürzen jetzt den Katarakt hinunter.
87. Im Saalgewölb' des Urwalds. (Vor 1833.)
Von Anastasius Grün. Schutt. Dichtungen. Leipzig, 1837.
1. Im Saalgewölb' des Urwalds ruhn
im Kreis
Viel kräft'ge Männer, manch ein ernster
Greis,
Der Weißen Abgesandte friedlich bei
Indianern, Waldessöhnen, stark und frei.
2. Die Friedenspfeife kreist nach altem
Brauch,
Der Männer Friedenswort umhüllt ihr
Rauch,
Wie über Frühlings schönstem Rosenbeet
In stillem Flug ein Morgenwölkchen
steht.
3. Zum Bund des Friedens sind sie
hier vereint;
Schon rann genug des Blutes ja, schon
scheint
Belegt des grünen Saales Boden fast
Mit roten Prnnktapeten von Damast!
4. Ein Häuptling sprach: „Nach Väter¬
sitte macht
Aus Erd' und Laub das Grab dem Beil
der Schlacht,
Das manchen unsrer weißen Brüder
traf!
Drin schlaf' es, ungeweckt, nun ew'gen
Schlaf!"
5. Ein andrer drauf: „Das Laub ver¬
trägt der Wind,
Die Erd' aufwühlt des Waldes Tier
geschwind;
Drum, soll des Kampfes Beil geborgen
sein,
Grabt's unter Wurzeln einer Ceder ein!"
6. Ein andrer draus: „An Wurzeln nagt
der Wurm,
Zu Boden schleudert Cedern selbst der
Sturm;
Drum, soll zu Tag des Unheils Beil
nicht mehr,
Wälzt jenen Berg als Grabstein drüber
her!"
7. Ein andrer drauf: „Sogar desBerges
Bauch
Durchwühlt der Schacht des weißen
Bergmanns auch;
Drum, soll fortan es ew'ger Friede sein,
Senkt in den Strom des Hasses Beil
hinein!"
8. Ein andrer drauf: „Aus tiefster
Stromesnacht
Wird's von des Fischers Netz zu Tag
gebracht;
Drum, daß es weltverheerend nie ersteh',
Senkt's mitten in des Weltmeers großen
See!"
9. Ein Greis darauf: „Dies Beil von
Holz und Erz,
O laßt's am Tag! Doch greift in euer
Herz!
Drin liegt das Schlachtbeil, das viel¬
leicht schon jetzt
Von euch manch einer frisch zum Kampfe
wetzt!
10. Das Herz ist tiefer als Gebirg'
und See'n,