Full text: [Teil 2, Abteilung 1, [Band 1] = [Mittelstufe], [Schülerband]] (Teil 2, Abteilung 1, [Band 1] = [Mittelstufe], [Schülerband])

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C. Didaktisch epische Poesie. VIII. Fabeln. 
Laß mir nicht ab so bald! 
Also nur wurzelt ihr Fuß, und mit 
Mark 
Füllet sich Arm und Brust, 
Und sie wachsen zu stolzen Höhn, 
Mir eine Herzenslust. 
Denn ich hasse die Zwergenart, 
So die dumpfige Kluft 
Eingewindelt vor Wetter bewahrt 
Immer in Stubenluft. 
Fahl und kahl in des Frühlings Saft, 
Hat schon ein Lüftchen sie umgerasft." 
114. Strenge Barmherzigkeit. 
Von Abraham Emanuel Fröhlich. Fabeln. Aarau, 1829. 
Das Thal schreit auf zum Föhn: 
„Was wirft dein wild Gestöhn 
Lawinen ab den Höhn, 
Die Bäche zu empören, 
Die Matten zu zerstören? 
Kannst du denn nicht gelind 
Den Winterschnee zertauen?" — 
„Nein," ruft der Frühlingswind; 
„Tief liegen noch die grauen 
Schneestocken in dem Land; 
Groß ist der Widerstand, 
Mit dem die Norde kämpfen. 
Wollt' ich sie gütlich dämpfen 
Und sollte nur gemach 
Tropfweise nach und nach 
Der Schnee geschmolzen werden, 
Würd's maien nie auf Erden. 
Des Kampfgetümmels Spuren 
Deck' ich mit grünen Fluren." 
113. Die Bürger. 
Von Abraham Emanuel Fröhlich. Fabeln. Aarau, 1829. 
Bienen von dem Höchsten schwätzen, 
Das au ihnen sei zu schätzen. 
Eine meint, den höchsten Preis 
Soll man geben ihrem Fleiß. — 
Nein, der Kunst, glaubt eine zweite, 
So den Bau und Seim bereite. — 
Einer dritten ist das Wahre, 
Daß man das Erworbne spare. — 
Andre sagen, schöner sei 
Ihres Wohlthuns Lust hierbei. — 
„Alles dies," heißt es dagegen, 
„Ist nur unsrer Eintracht Segen.' 
„Und das Höchste ist der Mut," 
Preisen andre, „selbst sein Blut 
In dem Kampfe hinzugeben." — 
„Und das Allerhöchste ist," 
Ruft die Mutter in den Zwist, 
„Jeder Tugend treu zu leben." 
119. Die Entstehung der Nose. 
Von Friedrich Rückert. Gedichte. Vier Fabeln. Erlangen, 1849. 
1. Den Rosenzweig benagt ein Lämmchen auf der Weide, 
Es thut's nur sich zur Lust, es thut's nicht ihm zu Leide. 
2. Dafür hat Rosendorn dem Lämmchen abgezwackt 
Ein Flöckchen Wolle nur, es ward davon nicht nackt. 
3. Das Flöckchen hielt der Dorn in scharfem Finger fest; 
Da kam die Nachtigall und wollte baun ihr Nest. 
4. Sie sprach: „Thu auf die Hand und gieb das Flöckchen mir, 
Und ist mein Nest gebaut, sing' ich zum Danke dir." 
5. Er gab, sie nahm und baut', und als sie nun gesungen, 
Da ist am Rosendorn vor Lust die Ros' entsprungen
	        
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