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Bilder zur Kultur und Geschichte des deutschen Volkes.
3ch habe es zwar noch nicht versucht, entgegnete Dietrich
etwas verlegen, doch ich hoffe, auch das noch zu lernen.“
Hildebrand wollte antworten, doch in demselben Augenblicke
erbebte die Luft von einem Schrei, der ihnen beiden Mark und Bein
erschütterte. Bald laut, bald leise, jetzt wie ein Angstruf, und wieder
wie ein wilder Wutschrei klingend, drang er zu ihnen, und bei seinen
seltsam zitternden Tönen verstummte der Gesang der Vögel, die soeben
noch ihre lustigen Weisen angestimmt hatten.
„Ich denke, wir sind auf die richtige Straße gekommen, sagte
Hildebrand, wartet hier einstweilen, mein lieber Herr, und lasset
mich voraus, damit ich ausspähen kann, was dort vorgeht; und ver—
lasset mir diesen Ort nicht, damit ich euch wiederfinden kann, wenn
ich zurückkehre.“
Damil spornte er sein Roß und sprengte, der Stimme folgend,
weiter in den Wald hinein.
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Kampf mit den Viesen.
Es dauerte nicht lange, so erblickten viere von den Gesellen des
Heiden den jungen Fürsten von Bern an der Stelle, wo ihn Hilde—
brand verlassen halte, und da sie ihn an der Rüstung als Christen
erkannten, drangen sie feindlich auf ihn ein.
Als der junge Dietrich die Heiden kommen sah, erschrak er
anfänglich sehr und fürchtete, sein Lehrmeister habe ihn böswillig in
die große Gefahr geführt, doch da sie nun einmal vorhanden war,
beschloß er, sich männlich zu wehren und dem Blute seines Vaters
keine Schande zu machen.
Und er legte den Speer so sicher ein und führte ihn so meister⸗
lich, daß er den ersten Heiden, der gegen ihn anrannte, vom Rosse
stach, also daß er mit seinem Blute den Boden rötete und das
Leben lafsen mußte. Dasselbe Schicksal hatte der folgende, und als
der Speer zerbrochen war, griff er zum Schwerte und gebrauchte es
so tapfer, daß er auch den dritten Heiden zu seinen Genossen auf
den Rasen bettete.
Da forderte ihn der vierte, der auch schon auf den Tod ver—
wundet war, auf, schleunig den Wald zu räumen, wenn er sein Leben
Tellen wollte, denn das starke Heer seiner Gesellen werde bald genug
kommen und blutige Rache an ihm nehmen.
Dietrich weigerte sich entschieden, den Platz zu verlassen, und
fragte den immer matter werdenden Heiden, waͤrum er nicht beim
Heere geblieben wäre. Da erzählte dieser, wie sie ihren Herrn Orkise
sot im Walde gefunden und sich deshalb zerteilt hätten, um den
Mörder desselben zu suchen. Schon vorher sei ihnen gemeldet, daß
zwei Ritter, von denen der eine der Berner heiße und der andere
bereits graues Haar habe, in den Wald geritten seien, von denen
einer wahrscheinlich ihren Herrn erschlagen habe.