Full text: Für die mittleren Klassen höherer Lehranstalten einschließlich Untersekunda (Teil 2, [Schülerband])

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Zweite Abteilung. 
andern Sinne erfreust, daß du aus dem weichsten Lager schläfst und 
ohne Mühe und Arbeit dir alle diese Genüsse verschaffst. Solltest du je 
um die Mittel dazu in Verlegenheit sein, so befürchte nicht, daß ich dich 
durch viele körperliche und geistige Anstrengungen, durch Gefahr und 
Not dazu führen werde; sondern du wirst die Früchte fremden Fleißes 
genießen und nichts von dem entbehren, was dir Gewinn bringen kann. 
Denn ich gewähre meinen Freunden die Freiheit, von allem Nutzen 
zu ziehen." 
Als Herakles diese Versprechen hörte, fragte er: „O Weib, wie 
ist denn aber dein Name?" Sie antwortete: „Meine Freunde nennen 
mich Glückseligkeit, meine Feinde dagegen, die mich herabsetzen 
wollen, heißen mich Laster." Unterdes war auch das andere Weib 
hinzugetreten und sprach: „Auch ich komme, lieber Herakles, denn ich 
kenne deine Eltern sowie deine Natur und deine Erziehung. Da¬ 
nach hoffe ich, daß du, wenn du meine Bahn wählen wolltest, ein 
vortrefflicher Arbeiter auf dem Felde alles Guten und Großen 
werden wirst und ich durch dich zu noch größerm Ansehen gelange. 
Doch ich will dich nicht durch Vorspiegelung von Genüssen betrügen; 
sondern wie die Götter es angeordnet haben, so will ich dir der 
Wahrheit gemäß es darstellen. Wisse, ohne Arbeit und Mühe ge¬ 
währen die Himmlischen den Menschen kein Gut. Willst du, daß 
die Götter dir gnädig seien, so mußt du sie verehren; willst du, 
daß die Freunde dich lieben, so mußt du den Freunden dienen; willst 
du geehrt sein bei deinen Mitbürgern, so mußt du dich ihnen nützlich 
erweisen; wenn du wegen deiner Tugend von ganz Hellas bewundert 
sein willst, so mußt du sein Wohltäter werden. Soll das Land dir 
Früchte tragen, so mußt du es bebauen; willst du durch deine Herde 
reich werden, so mußt du sie pflegen. Willst du kriegen und siegen, 
so mußt du die Künste des Krieges lernen und üben; soll dein 
Körper deinem Willen dienstbar sein, so mußt du ihn durch Arbeit 
und Schweiß abhärten." 
Hier fiel ihr das Laster in die Rede: „Siehst du, lieber Herakles, 
wie lang und schwierig der Weg ist, auf welchem dieses Weib dich zu 
Glück und Freude zu führen verspricht? Ich werde dich ausreichten! 
und kurzem Pfade zur Seligkeit geleiten." „Unselige, sprach die Tugend, 
was für Gutes besitzest du? Du sättigst dich ja mit jeder^Lust, 
noch ehe das Verlangen nach einem Genusse vorhanden ist; du issest, 
ehe dich hungert, du trinkst, ehe dich dürstet; um mit Lust zu essen, 
schaffst du dir geschickte Köche an; damit du mit Lust trinkest, verschaffst
	        
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