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könnten. Patroklus benutzte ihre Furcht und schwang seine blinkende Lanze
gerade in ihre Mitte hinein, wo am Schiffe des Protesilaus das Getümmel
am stärksten war. Sie traf den Päonier Pyrächmes, daß er, an der
rechten Schulter durchbohrt, wehklagend rücklings auf den Boden taumelte,
und die Päonier um ihn her, alle betäubt, vor dem gewaltigen Patroklus
flüchteten. Das Schiff blieb halbverbrannt stehen; angstvoll flohen alle
Trojaner, die Danaerhaufen stürzten sich in die Schiffsgasse zur Verfolgung;
allenthalben tobte der Kampf. Doch faßten sich die Troecr bald wieder,
und die Griechen sahen sich genötigt, Mann für Mann zu Fuße zu streiten,
da jene hartnäckigen Widerstand leisteten. Hektor hatte zwar bereits erkannt,
daß der Sieg sich von ihm und den Seinen abgewendet habe; dennoch
verweilte er unerschüttert in der Schlacht und dachte, wenigstens seine teuern
Genossen zu schützen und zu retten. Erst als der Andrang unwiderstehlich
wurde, kehrte er mit seinem Wagen um und floh mit seinen vortrefflichen
Rossen über den Graben. Die andern Trojaner waren nicht so glücklich;
viele Rosse ließen hier und dort im Graben die Wagen ihrer Herren zer—
schmettert zurück; was glücklich hinüberkam, stäubte in der eiligsten Flucht
nach der Stadt zurück, und Patroklus sprengte mit tönendem Rufe den
noch diesseits des Grabens Dahinfliehenden nach ; viele stürzten kopfüber
unter die Räder ihrer Wagen, und geborstene Sitze krachten. Endlich
sprang das unsterbliche Rossegespann des Peliden auch über den Graben,
und Patroklus trieb sie an, den auf seinem Wagen dahineilenden Hektor
zu erreichen. Dabei mordete er zwischen Schiffen, Mauer und Strom,
was er antraf. Viele Troer waren bereits auf seinem stürmenden Wege
dem Speere, der Lanze oder den Steinwürfen erlegen, unter andern auch
der Lyeier Sarpedon. Die Fürsten der Trojaner trauerten, als sie den
Tod dieses Mannes vernahmen, der, obwohl aus fremdem Geschlechte, doch
ihre Stadt wie eine Säule stützte; aber ihre Trauer war nicht feige. Wild
drangen sie auf die Danger ein, und ihnen allen flog Hektor voran. Die
Griechen dagegen entflammte Patroklus, und so rannten sie gegen einander
mit grauenvollem Geschreie, um die Leiche des gefallenen Sarpedon kämpfend.
Als einer ihrer tapfersten Krieger, Epigeus, der Sohn des Agakles, von
einem Steinwurfe des Hektor gefallen war, fingen zuerst die Myrmidonen
an zu weichen. Patroklus aber, den der Tod des Freundes bitter schmerzte,
stürzte sich ins vorderste Gewühl und brachte die Trojaner wieder zum
Weichen. Vom bösen Geschicke getrieben munterte er nun seinen Wagen—
lenker und seine Rosse auf und jagte den Feinden nach ins eigene Unheil.
Neun erlegten Troern hatte er schon ihre Rüstungen abgezogen und tobte
so unaufhaltsam im Lanzenkampfe voran, daß er die an Türmen reiche
Stadt Troja selbst erobert hätte, wäre nicht auf dem festesten Turme der
Gott Apollo gestanden und hätte auf das Verderben des Helden und auf
die Beschirmung der Trojaner gesonnen. Dreimal stieg der Sohn des
Menötius zur hervorragenden Mauerecke hinan, und dreimal verdrängte
Apollo ihn mit unsterblicher Hand, den leuchtenden Schild ihm entgegen—
haltend und sein „Weiche!“ rufend. Da entwich Patroklus eilenden Schrittes
vor dem Befehle des Gottes— —