Full text: [Teil 3 = Quarta, [Schülerband]] (Teil 3 = Quarta, [Schülerband])

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und unterdrückt kaum einen Schreckensschrei, als er dieselbe dunkle Masse 
von vorhin sich unter der Oberfläche des Wassers bewegen sieht. Ein 
langer Phosphorstreifen folgt wie ein glühendes Meteor ihrem Kielwasser. 
Großer Gott, es ist wirklich ein Hai! 
In diesem Augenblicke beginnt der Wind stoßweise zu wehen. Dunkle 
Wolkenmassen verdecken den Mond, der bisher noch eine gewisse Helle 
verbreitet hat, und um die Verwirrung vollständig zu machen, scheinen die 
Leute nicht mehr den Befehlen des Kadetten gehorchen zu wollen. Sie 
scheuen sich nicht, zu murren und ihm Vorwürfe zu machen, daß er sie in 
das Unglück gebracht habe. Doch Vogels ganze Willenskraft ist wach¬ 
gerufen, er fühlt das Kritische seiner Lage und darf nicht wanken. „Ruhe!" 
befiehlt er gebieterisch, „rudert ordentlich und haltet Schlag, oder ich bringe 
euch alle vor ein Kriegsgericht, wenn wir an Bord kommen." „Ich möchte 
wohl wissen, wann das ist!" äußert in höhnischem Tone, wenngleich etwas 
eingeschüchtert, der Mann am vordern Riemen, doch unwillkürlich fallen 
die Riemen wieder in Tdkt; der Gehorsam ist erschüttert, aber doch nicht 
geschwunden. 
Da zuckt ein heller Blitz am Horizonte auf, der Donner eines Schusses 
folgt ihm und rollt in dumpfem Echo über die Wasserfläche. „Hurra das 
Schiff!" jubelt die Bootsmannschaft; augenblicklich ist die Disziplin wieder¬ 
gekehrt, und die Leute rudern mit äußerster Anstrengung der Richtung zu, 
aus welcher der Schuß ertönte. Bald sind sie in Schweiß gebadet, doch 
das Boot scheint an den Ort gebannt zu sein und nicht von der Stelle zu 
kommen. Wiederum ist nichts zu sehen als die unendliche, weglose Meeres¬ 
fläche, nur Wasser und Himmel überall. 
Jetzt rauscht abermals ein donnerndes Tosen über das Meer, doch 
diesmal kommt es von luvwärts. Das bis dahin ziemlich ruhige Wasser 
erhält plötzlich eine wallende Bewegung, und ein orkanähnlicher Windstoß, 
eine Wolke von Gischt vor sich hertreibend, stürmt auf das Boot los. Die 
Ruder sind überflüssig geworden, das Boot fliegt dahin vor der Bö, wie 
ein welkes Blatt vor dem Herbststurme. Seiner Besatzung bleibt nichts 
übrig, als zu erwarten, was Gott über sie verhängt. Der Schaum der 
Wogen spritzt hoch empor und verdunkelt wie ein Nebel die Luft noch 
mehr. Der Ozean kocht, und am Himmel ballt sich schwarzes Gewölk zu 
drohenden Massen. Der Kutter ist halb mit Wasser gefüllt und kann 
nur mit größter Mühe flott gehalten werden. Jeder erwartet das augen¬ 
blickliche Sinken. 
Der qualvolle Zustand des Todeskampfes erschöpft die letzten Kräfte 
der Leute; sie fühlen, daß es bald mit ihnen zu Ende gehen muß. Ihre 
irrenden Blicke starren bald auf die schäumenden Wogen, bald auf den 
düstern Himmel, der ihnen keine Rettung verheißt Ihre Gesichter, die
	        
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