G J J e PAX 1409—
im Kriege, und so verehrten ihn deutsche Stämme als Kriegsgott,
als Siegvater, der über Sieg und Heldentum waltet und deshalb die
Toten der Schlacht und die Gefangenen als Opfer empfängt. Es ist
uns überliefert, daß besonders die angelsächsischen Könige, welche ihr
Geschlecht von Wodan ableiten, den Wodan, ihren höchsten Gott,
durch Opfer und Gebet um Sieg anflehten.
Der deutsche Wodan war aber auch Erntegott, Gott des Acker—
baues und der Fruchtbarkeit, da er ja als Windgott das Wachstum
beeinflußte. Darum ehrten ihn die Landleute mit einem Ernteopfer.
Gar mannigfache Gebräuche aus deutschen Gauen sind uns hierfür
überliefert. In Niedersachsen, Westfalen und Mecklenburg stellten
sich beim Erntefest die Schnitter, wenn das Getreide gemäht war, um
die letzte für Wode und sein Roß übriggelassene Garbe und riefen
unter Mützenwerfen: „Wode, hale dinem Rosse nu Voder, nu Distel
und Dorn, tom andren Jahr beter Korn!“ Dieser „Waulroggen“,
in Süddeutschland „Wutfuter“ genannt, war für den „Waudlgaul“
bestimmt, wie man auch in Bayern den „Waudlhunden“ Bier, Milch
und Brot hinstellte. Das Erntebier hieß „Wodelbier“. Am Stein—
huder Meer machen die Burschen zum Erntefest ein Freudenfeuer auf
dem Berge, schwenken ihren Hut und rufen: „Wauden! Wauden!“
Endlich sahen die norddeutschen Stämme in Wodan auch den
Vater des höheren, geistigen Lebens, den Herrn des Zaubers und
Erfinder der Runen und damit den Bringer höherer Kultur. Die
Runen (gotisch rüna „Geheimnis“, vgl. „raunen“) waren eingeritzte
geheime Schriftzeichen, durch die man den Runenzauber ausübte, d. h.
Unangenehmes bannte, Gewünschtes herbeiführte, die Zukunft er—
schloß. Solche Segenssprüche aus heidnischer Zeit haben sich bei
allen germanischen Stämmen erhalten. Sie sind meist gereimt, zeigen
zuweilen auch Spuren von Stabreim. Es waren u. a. Feuer-⸗, Waffen-
Wund-, Viehsegen, Heilsegen wider Krankheiten. Die Angelsachsen
schreiben dem Wodan die Erfindung der Buchstaben zu. Der nieder—
deutsche Wodanskult kam zur höchsten Entwicklung erst in Skandi—
navien durch die dichterische Phantasie der Skalden der Wikingerzeit.
104. Baldur und sein Tod.
Von Eduard Palch.
Buldu der Lichte, der Sohn Odins, ist der Beste unter den Göttern
der weise, beredte und milde Gott; sein Angesicht ist so glänzend,
dah ein milder Schein von ihm ausgeht. Seine Gattin, die ihn treu
und innig liebt, heibßt Nanna, die Hervortreibende.
Baldur hatto einst schwere Dräume, als drohe seinem Leben
Gefahr. Sorgenden Geistes versammeln sich die Götter. um zu be