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zuletzt, vom Weine besiegt, in der Halle zerstreut lagen, von Schlaf
und Trunkenheit gefesselt.
Das war der Augenblick, auf den Walther mit Schmerzen ge—
wartet; unbemerkt eilt er hin, wappnet sich, zieht sein Schlachtroß
aus dem Stalle, Hildegunde bringt die Schreine mit den Schätzen,
und nachdem er diese dem Rosse aufgeladen, verlassen sie Etzels Burg
und eilen gen Westen nach ihrer lieben Heimat.
Sobald König Gunther durch den Fergen, der die Flüchtlinge
über den Rhein setzte, von dem fremden Ritter, der schönen Jung—
frau und dem schwerbeladenen Rosse Kunde erhalten hatte, brach er
sogleich mit zwölf tapferen Rittern auf, um den Fremdling zu ver—
folgen und seiner Schätze zu berauben. Unter den Rittern, die er
mitnahm, war auch Hagen. Das war dem Recken leid; denn er hatte
aus der Schilderung des Fergen erkannt, daß der Flüchtling niemand
anders sei als sein Jugendgefährte Walther. Er bot deshalb alles
auf, um den König von seinem Vorhaben abzuhalten, aber vergebens.
Gunther spornte nur noch mehr zur Eile an. Als er die Fußstapfen
der Flüchtlinge im Sande fand, frohlockte er, als hätte er den Sieg
schon in den Händen.
Weit hinter Worms erhebt sich ein waldiges, schluchtenreiches
Gebirge; Wasgenwald wurde es damals genannt, jetzt nennt man
es auc, die Vogesen. Dort ragen zwei Berge dicht nebeneinander,
zwischen ch eine enge, anmutige Schlucht bildend, oben vom Gipfel
der Fenen überwölbt: eine Höhle für Räuber, mit weichem Moose
bewachsenn. Hier hatte Walther die Nacht verweilt und das erstemal,
seit er aus Hunnenland schied, die Rüstung abgelegt und seinen
Gliedern die langentbehrte Ruhe gegönnt, während Hildegunde am
Eingange der Höhle saß und Wache hielt. Wie erschrak da die Jung—
frau, als sie plötzlich eine Schar gewappneter Reiter dahergesprengt
kommen seen! Rasch weckte sie Walther auf. Im Nu stand dieser gerüstet
da und „ritt an den Ausgang der Felsenhalle, um zu sehen, wer
die Reu wären, und was sie wohl im Schilde führten. Und siehe,
Hagens „ .lmbu j erkennend, rief er Hildegunden zu: „Nicht Hunnen,
Franken sind es, die da kommen, und Hagen, mein alter Geselle,
ist unter ihnen. Ihn allein fürchte ich, von den übrigen hoffe ich
wohl genesen zu bleiben.“
Unterdes waren die Wormser vor der Schlucht angekommen, und
Gunther entsandte alsbald den Grafen Gamelo von Metz zu Walther,
um ihn zur Herausgabe seiner Schätze aufzufordern. Walther bot
Gunther hundert Goldspangen, wenn er ihm den Kampf erspare und
ihn friedlich seines Weges ziehen lasse. Hagen riet eindringlich, dieses
Anerbieten anzunehmen, und mahnte noch einmal ab vom Kampfe gegen
den Helden, dessen Tapferkeit und Stärke unbezwinglich seien. Auch
Wacker, Lesebuch. 43. VI. Teil.
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