Full text: (Prosa) (Teil VII - IX in 1 Bande, [Schülerband])

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soll er denn Besseres tun? Und wie soll er denn da patriotischer wir¬ 
ken?" — Und umgekehrt: Was sind Tatsachen ohne leitende Ideen? 
Was wäre Bismarcks ganze Realpolitik, wenn sie nicht wäre getragen 
worden von den hehrsten, heiligsten Ideen? Ist denn etwa die Idee 
etwas Unfruchtbares, praktisch Unnützes? Mit Nichten! Was stählt 
die physische Kraft, was belebt den Mut, was gibt Ausdauer, Geduld? 
Was anderes als die Idee, das Ideal? 
Was schwebte dem großen Realpolitiker vor? Die Idee: Preußen, 
dein herrliches Preußen soll stark und mächtig werden, dein herrlicher 
König soll ein freier Souverain sein, unabhängig von Österreich und 
Frankreich! Und dann weiter: Was die Besten der Nation erhofften in 
langem, herbem Harren, das soll Wirklichkeit sein, die Brüderstämme 
sollen zusammengeschweißt werden! 
War Bismarck nur Realist? Nein! Auch ihm standen Gott, Natur, 
Vaterland, Freiheit, Sittlichkeit als Ideale leuchtend vor der Seele, 
vor einer Seele voll Leidenschaft und Kraft. 
Tiefe Niedergeschlagenheit bemächtigte sich seiner, ja manche Stunde 
war es ihm, als ob sein und anderer Menschen Dasein ziellos sei und 
unersprießlich, vielleicht nur ein beiläufiger Ausfluß der Schöpfung, der 
entsteht und vergeht wie Staub vom Rollen der Räder. Dann wirkten 
verschiedene Umstände zusammen, um ihn bem verlorenen Glauben zu¬ 
rückzugewinnen. Es war nicht nur die zum Grübeln anregende Einsam¬ 
keit und Langeweile auf seinem väterlichen Gute Kniephof, die innere 
Leere und Unbefriedigtheit, nicht nur die Freundschaft mit dem frommen 
Moritz von Blankenburg auf Cardemin in Pommern, der Verkehr mit 
dessen Nachbar und späterem Schwiegervater, mit Adolf von Thadden, 
in dem pietistisch-herrnhuterisch angehauchten Triglaffschen Hause, wo 
ihn unter zufriedenen, nach außen hin vorbildlich wirkenden Menschen 
ein bisher ungeahntes Wohlsein umfing, sondern auch besondere er¬ 
schütternde Erlebnisse, über die uns keine nähere Kunde geworden. Eifrig 
las er in der Bibel, wartete in der Stille auf die Erleuchtung, und 
wie einst Luther durch den plötzlichen Tod eines Freundes, wie der 
junge Goethe durch eine schwere Erkrankung im Innersten durchgerüttelt 
und zum Glauben zurückgeführt wurde, so kam es über den jungen 
Bismarck bei der Nachricht tödlichen Siechtums der Freundin in Car¬ 
demin, der jungen Frau von Blankenburg, wie eine Eingebung: ohne 
Grübeln über die Vernünftigkeit desselben, riß sich ihm wieder das 
inbrünstige Gebet vom Herzen los.
	        
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