Full text: (Prosa) (Teil VII - IX in 1 Bande, [Schülerband])

Volk dem Jubiläum dieser Revolution mit denselben unversöhnten Gegen¬ 
sätzen entgegen, unter denen sie begann: Klerus und Voltairianismus, 
religiöser Fanatismus und sektenmätziger Raserei verfallender Materia¬ 
lismus; die unsterblichen Ansprüche einer alten Geburtsaristokratie und 
die neuen Ansprüche eines erfolgreichen Erwerbstandes, dessen Selbst¬ 
sucht kein tieferes Pflichtbewußtsein bändigt; die utopistischen Begierden 
und der rachsüchtige Groll der besitzlosen Massen, deinen von diesen 
Gegensätzen hat die napoleonische Herrschaft aufgelöst, aber sie hat das 
Volksbewutztsein um die Überzeugung von höchst zweifelhaftem Wert 
bereichert, daß Frankreich, wenn alles nur mit rechten Dingen zugehe, 
an der Spitze der Welt stehen müsse, nicht nur durch die Überlegenheit 
seiner Kultur, sondern durch die Überlegenheit seines Schwerts, wenn 
dieses nur nicht von Verräterhänden geführt wird. 
Lassen wir den Franzosen diesen gefährlichen Erwerb, den einzigen, 
den sie aus der napoleonischen Epoche gerettet. Er wird Europa, er 
wird vor allem Frankreich nach aller Voraussicht noch schweren Schaden 
bringen. Aufhalten wird er nach eben dieser menschlichen Voraussicht 
die notwendige Ausbildung des europäischen Völkersystems nicht. 
Wir verehren in Friedrich den Kriegshelden, der sich nach jedem 
Sieg bescheidet und nie sein Ziel zu hoch steckt, dessen Politik in dem 
späteren Spruch ausgedrückt ist: Dies ist unser; so laßt uns sagen und 
so es behaupten. Wir verehren in Friedrich den Staatsmann, der un¬ 
ermüdlich Tag für Tag den längsten Teil des Lebens der Sorgfalt im 
Kleinen widmet. Wir verehren in Friedrich den freien Geist, der sein 
Leben und Tun aus eignem Willen dem strengen Gebot des kategorischen 
Imperativs unterwirft, für dessen Regel nach seinem Tod ein Weiser 
den Ausdruck fand. Wir verehren in Friedrich den Regenten, der mit 
gesundem Herzen den natürlichen Zweck gegenüber dem toten Recht 
zur Geltung bringt. Zn allen diesen Stücken ist er unser Vorbild, dessen 
Lehre durch das gewaltige Wachstum der in gewissen Grundbestimmungen 
unveränderten Verhältnisse nur um so beherzigenswerter geworden. 
Der Mißbrauch kriegerischer Erfolge hat uns jederzeit fern gelegen, 
hier am wenigsten bedürfen wir Friedrichs Mahnung; aber die Kunst, 
das Errungene zu behaupten, ist uns vor allen andern Völkern erschwert. 
Hier müssen wir dem Beispiel, das in wenigen Jahren eine derselben 
Aufgabe gewidmete Staatskunst gegeben, ablernen, was möglich ist. 
Und die Sorgfalt im Kleinen zur Schonung und Pflege der innern Kraft 
werden wir nie entbehren können; nie werden wir es zu dem Reichtum
	        
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