Full text: Oberstufe: Erster Kursus (Teil 5, [Schülerband])

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1781 noch keine 84 Jahre verstrichen; die Astronomen hatten also den 
vollen Umlauf dieses Planeten noch nicht erlebt. Man sollte nun meinen, 
daß hierbei ein Irrtum sehr leicht möglich wäre, und wäre es auch nur 
ein Irrtum von wenigen Tagen dieser großen Umlaufszeit. So nach¬ 
sichtig man aber im gewöhnlichen Leben mit einem Irrtum dieser Art 
wäre, so wenig Nachsicht hat die Astronomie mit ihren Jüngern; denn 
sie fordert durchaus eine Genauigkeit und Pünktlichkeit, wie sie in irdischen 
Dingen gar nicht existiert. Der Astronom berechnet alle Himmelserschei¬ 
nungen im voraus, und zwar muß alles auf Minute und Sekunde stimmen; 
ist dies nicht der Fall, kommt ein Stern auch nur eine Minute später 
in sein Fernrohr, als er laut Rechnung soll, so wird sich der Astronom 
nicht früher befriedigt erklären, als bis er die Ursache der Verspätung her¬ 
ausgefunden hat. 
Obgleich man nun vor 60 Jahren erst etwa drei Viertel vom Um¬ 
lauf des Uranus zu beobachten Gelegenheit gehabt hatte, bemerkten den¬ 
noch die Astronomen schon, daß er seine Stationen nicht pünktlich nach 
Rechnung innehalte und sich regelwidrige Abweichungen erlaube. Wären 
die Gesetze der Natur nicht so fest und unumstößlich, so würde man sich 
dies vielleicht als Ausnahme von der Regel gefallen lassen, und unter 
der Voraussetzung, daß die Sonne auf Uranus nicht ganz genau so an¬ 
ziehend wirke wie auf jeden anderen Planeten, sich beruhigt haben. Allein 
die Unumstößlichkeit der Naturgesetze und die Tatsache, daß die Natur 
niemals Ausnahmen gestattet, sondern stets nur nach strengen Regeln 
wirkt, führte bereits mehrere scharfsinnige Astronomen auf die Vermutung, 
daß die Abweichungen, die sich im Laufe des Uranus zeigen, von einem 
noch nicht gekannten Planeten herrühren müssen, der ebenfalls seinen Lauf 
um die Sonne habe und durch Anziehung auf Uranus dessen Lauf in der 
beobachteten Weise verändere. 
Der Astronom Mädler sprach diese Vermutung im Jahre 1840 zuerst 
mit großer Bestimmtheit aus. Dem französischen Gelehrten Leverrier 
gelang die schwierige Aufgabe, durch Rechnung aufzufinden, wo dieser 
unbekannte Planet stecken möge. Am 31. August 1846 war er so weit 
mit seiner Berechnung, daß er der Akademie der Wissenschaften in Paris 
anzeigen konnte, daß in einer von ihm berechneten Zeit, an einer 
genau angegebenen Stelle des Himmels ein Planet mit ausgezeichneten 
Fernröhren zu sehen sein müsse, welcher 30mal entfernter ist von der 
Sonne als die Erde, der in 165 Jahren einmal um die Sonne läuft, 
dessen Masse 24mal schwerer als die der Erde ist, und dieser noch nie 
gesehene Planet verursache die Störungen, die man am Uranuslaufe 
bemerke. 
Als am 23. September desselben Jahres der Astronom Galle in 
Berlin briefliche Mitteilung hierüber von Leverrier erhielt mit der Auf¬ 
forderung, durch die Berliner Instrumente, deren Vorzüglichkeit aner-
	        
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