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Verlassen stand ich Plötzlich da; mein Schwert
Warf ich zur Erde; schmählich, unbedingt
Mußt' ich mich übergeben, und hinweg
Ward ich geführt zum Felsen Gieb'chenstein.
In jener Not, in jener tiefen Schmach
Blieb einzig nur Gras Werner mir getreu,
Der meiner Jugend Freund und Führer war.
Auf Kiburg warf er sich, sein festes Schloß,
Und wurde dort von Euch, erhabner Herr,
Drei Monden lang belagert und bedrängt.
Als man zuletzt die gute Feste brach,
Entkam er selber mit genauer Not
Und irrt seitdem geächtet durch die Lande.
Sollt' ich nun den verleugnen, der so fest
An mir gehalten? Nein, verlangt es nicht!
Kunrad. Du bist in großer Täuschung, wenn Du meinst,
Daß Werner das um Deinetwillen tat.
Du warst nur stets das Werkzeug seiner stolzen,
Gefährlichen Entwürfe.
Ernst. Ja, ich weiß,
Mit großen Dingen trägt sich dieser Mann,
Doch nicht mit strafbarn noch gefährlichen.
Was er für mich, was ich für ihn getan,
Es war ein Bund der Redlichkeit und Treu'.
Kunrad. Je eifriger Du sprichst, je klarer wird's,
Wie eng der Meutrer Dich umgarnet hat,
Und um so weniger darf Dir der Schwur,
Den Wir von Dir begehrt, erlassen sein.
Ernst. Die Treue sei des deutschen Volkes Ruhm,
So hört' ich sagen, und ich glaub' es fest
Trotz allem, was ich Bitteres erfuhr.
Ihr selbst, o Kaiser, höchstes Haupt des Volks,
Das man um Treue rühmet, habt noch jüngst,
Was von Verrat Ihr denkt, so schön bewährt.
Als Misiko, der junge Polenfürst,
Gedrängt von Eurer Waffen Ungestüm,
Zu Odelrich, dem Böhmenherzog, floh
Und dieser, um den Zorn, den Ihr ihm tragt,
Zu sühnen, Euch den Flüchtling anerbot,
Da wandtet Ihr Euch mit Verachtung ab.
Was Ihr vom Feind, vom Fremdlinge verschmäht,
Könnt Jhr's verlangen von dem eignen Sohn,
Vom deutschen Fürsten? Nein, Ihr könnt es nicht