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so erreichen sie drei bis vier Meter Höhe; sie müssen also jährlich
beschnitten werden, um das Pflücken der Blätter zu erleichtern.
Dieses Pflücken kann nur an warmen, sonnigen Tagen erfolgen,
und deshalb beeilten sich die Mädchen und Kinder so sehr, als ich
zwischen ihnen durch die Pflanzungen wanderte. Wie mir mein Dol¬
metscher erzählte, waren sie schon seit Morgengrauen an der Arbeit.
Kaum gönnen sie sich Zeit, um ihren gekochten Reis und ihr Ge¬
müse zu verzehren; dann arbeiteten sie sich wieder ihre kleinen Händ¬
chen blutig und blickten mitunter ängstlich auf, um zu sehen, ob
nicht Wolken im Anzuge wären, deren Entladung ihre Ernte ver¬
derben würde. War ein Korb mit den glänzenden, fleischigen Blätt¬
chen gefüllt, dann sprang wohl ein Mädchen darauf und stampfte
die Blätter mit ihren nackten Eüßen fester zusammen, und konnte
nichts mehr hineingepreßt werden, so wurde rasch ein Bambusstock
durch die Handhabe gezogen, die Last auf die Schultern gehoben,
und fort ging’s in raschem Getrippel hinab zum Earmhause.
Unten in den verstreuten Höfen und kleinen Dörfchen sind
Männer und Frauen mit der Zubereitung der Teeblätter beschäftigt,
und bricht die Dämmerung an, dann eilt alles aus den Pflanzungen
hinab, um bis Mitternacht die Blätter zu dörren. Ein paar Stunden
Schlaf nur sind den jungen Arbeiterinnen gegönnt, dann springen
sie wieder zurück in die Pflanzung, und das Tagewerk beginnt von
neuem. Ihre einzigen Werkzeuge sind ihre Hände und Füße. So¬
bald ein Korb Blätter in die Farmhäuser gelangt, so machen sich
Frauen und Kinder darüber her, um geschickt die alten und gelben
Blätter daraus zu entfernen, die guten Blätter aber auf luftige Bambus¬
geflechte zu werfen, wo sie bald welken und weich werden, so daß
sie mit der flachen Hand leicht zu rollen sind. Diese Arbeit dauert
so lange, bis sich an den Blättern rötliche Flecken zeigen. Das
Rollen der Blätter heißt im Chinesischen kung-fu, woraus die euro¬
päischen Handelsleute Kongu oder Kongo machten. Der als Kongo
bezeichnete Tee stammt also nicht etwa vom Kongo, sondern heißt
soviel als gerollter Tee.
Nun werden die Blätter in baumwollene Säckchen gestopft und
diese in durchlöcherte Kisten oder Fässer geworfen. Dann springen
die Arbeiter hinein und treten und kneten die Säckchen, ähnlich
wie die Italiener und Spanier die Weintrauben, so lange, als aus den
Öffnungen noch der Saft der Blätter, eine klebrige, ölige Flüssigkeit,
herausläuft. Auf diese Weise wird ein großer Teil des bitteren
Tanningehaltes entfernt und das Gewicht der Blätter auf etwa ein
Viertel verringert.
Nun sind die Blätter für das Feuern reif. Dies geschieht in
manchen Gegenden von den Teebauern selbst, oder sie verkaufen die