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auf dem Marktplatze eine Rede, die aber so vernünftig war und
die Bürger so sehr zu neuem Kampfe aufstachelte, daß es Solon
gelang, die Insel Salamis zurückzuerobern. Die Bürger
wählten ihn zum Führer oder Archon und beauftragten ihn, den
Staat durch eine neue Gesetzgebung zu ordnen. Solon löste
diese Aufgabe aufs beste (594). Er bestimmte, daß alle Bürger
Anteil haben sollten an der Staatsverwaltung, aber nicht alle
in gleichem Maße; wer dem Vaterlande das meiste zu leisten
vermochte, der erhielt auch größere Rechte und konnte zu den
höhern Stellen im Staate gelangen. Die wichtigsten Dinge
aber mußten dem ganzen Volke vorgelegt werden; sie wurden
in der Volksversammlung verhandelt und entschieden.
Hier konnte jeder Bürger mitreden, mitraten und mitbeschließen
und so zum Wohle des Staates beitragen. Und damit die
Bürger dazu vorbereitet würden, war Solon auf eine sorgfältige
Erziehung der Jugend bedacht. Die Erziehung war weit mannig-
faltiger als bei den Spartanern. Zwar wurden auch die jungen
Athener frühzeitig zu Leibesübungen angehalten; aber mehr
noch kam es auf die Ausbildung der geistigen Kräfte an.
Daher wurden Kunst und Wissenschaft, von den Spartanern als
unnütz verschmäht, in Athen hoch geehrt; tüchtige Kenntnisse,
feine Sitten galten als Schätze, nach denen man mit Eifer
strebte.
3. Die Bildung der Athener. Dies edle Streben trug
die schönsten Früchte. Mit herrlichen Naturanlagen ausgestattet,
erlangten die Athener eine bewundernswerte Höhe der Bildung.
Die berühmtesten Denker und Künstler sind aus ihnen hervor-
gegangen. Ihre Dichter haben Werke geschaffen, an deren
Schönheit wir uns noch heute erfreuen; ihre Redner haben durch
die Macht ihrer Worte die gewaltigsten Wirkungen hervor-
gebracht; ihre Weltweisen haben über die schwierigsten Dinge
tiefsinnige Forschungen angestellt. Und wie glänzte Athen unter
den Städten durch die herrlichen Tempel und Säulenhallen, die
seine Baumeister aufführten, durch die vielbewunderten Kunst-
werke aus Erz und Marmor, die seine Bildhauer schufen, durch
die prachtvollen Gemälde, mit denen seine Maler die öffentlichen
Hallen schmückten! Auch die Gewerbe blühten empor, und ein
lebhafter, weit ausgebreiteter Handel brachte die Stadt Athen
mit andern Ländern in Verbindung, mehrte ihren Wohlstand