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ist die Gewerbeschule und in Verbindung mit ihr die sonntägliche
Zeichen- und Weberschule.
9. Unser Vaterland während des dreißigjährigen Krieges.
Wie im ganzen weiten Vaterland alle Gegenden, so hat auch unser
Vaterland unter den entsetzlichen Bedrängnissen dieses furchtbaren Krieges
viel zu leiden gehabt. Zwar hatte der Krieg anderwärts schon 10 Jahre
getobt, und das Reußenland war noch von keinem fremden Soldaten
betreten worden. Aber je länger der Krieg dauerte, desto weniger wurde
der bisherige Schutz des Landes beachtet: die Neutralität, welche der
obersächsische Kreis, zu dem das Reußenland gehörte, erklärt und durch
ein starkes Verteidigungsheer aufrecht erhalten hatte.
Im Jahre 1627 hatte Gera und die Umgegend durch Einquartierung
und Durchmärsche, bei denen die Soldaten oft brandschatzten und plünderten,
viel zu leiden. Schon damals war die Not so groß, daß an vielen
Orten die Bauern Hunger litten und Gott dankten, wenn sie noch eine
Hand voll Kleien zu einem Brei übrig hatten.
Dank der großen Gunst, in welcher Heinrich Posthumus bei dem
Kaiser stand, erhielt er auf die Vorstellungen seines ältesten Sohnes, den
er nach Prag geschickt hatte, eine Kaiserliche Schutzwache. So lange
diese in Gera stand, hatte die Stadt Ruhe und Sicherheit. Aber nach
ihrem Abzüge wirtschafteten Kursächsische Truppen in Gera und in der
Umgegend so entsetzlich, daß der Landesherr seinen Sohn zum zweiten
Male nach Prag schickte und auch jetzt und zwar auf längere Zeit eine
Schutzwache bekam.
Zu Johanni rückte Herzog Wilhelm von Weimar mit einem Heere
von 15 000 Mann ein. Das Fußvolk bezog ein Lager auf dem Zwötzener
Anger, die Reiterei wurde auf den benachbarten Dörfern einquartiert.
Die Stadt mußte täglich 6000 Pfund Brot, eben so viel Fleisch und
mehrere Fässer Bier liefern. Als nach der Zerstörung Magdeburgs
Sachsen sich mit den Schweden verband, mußten die Grasen Reuß dem
Heere Gustav Adolfs 200 Mann zu Fuß und 100 Reiter zuführen und
monatlich 206 Malter Korn, 412 Malter Hafer, eben so viele Paar
Strümpfe und Schuhe liefern und außerdem 800 Thaler zur Ausrüstung
der. neu angeworbenen Soldaten und 9600 Gulden Kriegsbeiträge zahlen.
Weit größere Lasten legte Gustav Adolf dem Lande ans, als er am 1.
November in Naumburg eingerückt war. Auf jede Hufe wurden 45 Pfund
Fleisch, ein Scheffel Mehl, ein Scheffel Hafer und ein Eimer Bier gelegt
und schon wenige Tage später der Befehl gegeben, daß bis auf weiteres
täglich außer 15 Gulden baren Geldes 5000 Pfund Brot, zehn Stück
Vieh, 180 Scheffel Hafer, 60 Eimer Bier zu liefern wären, ebenso für
die Königliche Küche ein für allemal zehn Hammel, zwei Ochsen, 30
Hühner, zehn Kapaunen, fünf Gänse und 150 Pfund Butter.
Nachdem Wallenstein bei Lützen geschlagen worden war, überfluteten
die Schweden das Land. Besonders in der Umgegend von Gera seufzten
die Einwohner sehr unter den Einquartierungen und Durchmärschen, doch