Full text: [Teil 2, [Schülerband]] (Teil 2, [Schülerband])

Die zwei Kinder hatten vor Hunger auch nicht einschlafen können und 
hatten gehört, was die Stiefmutter zum Vater gesagt hatte. Gretel weinte 
bittere Tränen und sprach zu Hänsel: „Nun ist's um uns geschehen.“ — 
„Still, Gretel,“ sprach Hänsel, „gräme dich nicht, ich will uns schon helfen.“ 
Und als die Alten eingeschlafen waren, stand er auf, zog sein Röcklein an, 
machte die Untertüre auf und schlich sich hinaus. Da schien der Mond ganz 
helle, und die weißen Kieselsteine, die vor dem Hause lagen, glänzten wie 
lauter Batzen. Hänsel bückte sich und steckte so viel in sein Rocktäschlein, 
als nur hinein wollten. Dann ging er wieder zurück, sprach zu Gretel: 
„Sei getrost, liebes Schwesterchen, und schlaf nur ruhig ein, Gott wird uns 
nicht verlassen,“ und legte sich wieder in sein Bett. 
Wie die Eltern ihre Kinder im Walde allein ließen. 
Als der Tag anbrach, noch ehe die Sonne aufgegangen war, kam schon 
die Frau und weckte die beiden Kinder. „Steht auf, ihr Faulenzer, wir 
wollen in den Wald gehen und Holz holen.“ Dann gab sie jedem ein Stück— 
chen Brot und sprach: „Da habt ihr etwas für den Mittag, aber eßt's nicht 
vorher auf, weiter kriegt ihr nichts.“ Gretel nahm das Brot unter die 
Schürze, weil Hänsel die Steine in der Tasche hatte. Danach machten sie 
sich alle zusammen auf den Weg nach dem Wald. Als sie ein Weilchen 
gegangen waren, stand Hänsel still und guckte nach dem Haus zurück und 
tat das wieder und immer wieder. Der Vater sprach: „Hänsel, was guckst 
du da und bleibst zurück, hab acht und vergiß deine Beine nicht!“ — „Ach, 
Vater,“ sagte Hänsel, „ich sehe nach meinem weißen Lätzchen, das sitzt oben 
auf dem Dach und will mir Ade sagen.“ Die Frau sprach: „VNarr, das 
ist dein Kätzchen nicht, das ist die Morgensonne, die auf den Schornstein 
scheint.“ Hänsel aber hatte nicht nach dem Kätzchen gesehen, sondern immer 
einen von den blanken Kieselsteinen aus seiner Tasche auf den Weg geworfen. 
Als sie mitten in den Wald gekommen waren, sprach der Vater: „Nun 
sammelt Holz, ihr Kinder, ich will ein Feuer anmachen, damit ihr nicht 
friert.“ Hänsel und Gretel trugen Reisig zusammen, einen kleinen Berg 
hoch. Das Reisig ward angezündet, und als die Flamme recht hoch brannte, 
sagte die Frau: „Nun legt euch ans Feuer, ihr Kinder, und ruht euch aus, 
wir gehen in den Wald und hauen Holz. Wenn wir fertig sind, kommen 
wir wieder und holen euch ab.“ 
Wie die Kinder doch wieder nach Haus kamen. 
Hänsel und Gretel saßen am Feuer, und als der Mittag kam, aß jedes 
sein Stücklein Brot. Und weil sie die Schläge der Holzaxt hörten, so glaubten 
sie, ihr Vater wäre in der Nähe. Es war aber nicht die Holzaxt, es war 
ein Ast, den er an einen dürren Baum gebunden hatte, und den der Wind 
hin und her schlug. Und als sie so lange gesessen hatten, fielen ihnen die 
Augen vor Müdigkeit zu, und sie schliefen fest ein. Als sie endlich erwachten, 
war es schon finstere Nacht. Gretel fing an zu weinen und sprach: „Wie 
sollen wir nun aus dem Wald kommen!“ Hänsel aber tröstete sie: „Wart 
nur ein Weilchen, bis der Mond aufgegangen ist, dann wollen wir den 
103
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.