1. Kapitel. Das Zeitalter der Reformation.
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v Medici), war zwar ein seingebildeter und freigebiger Be-
fördern- von Kunst und Wissenschaft, hatte aber so wenig Sinn
für das Göttliche, daß er befahl, keine Predigt solle über eine
Viertelstunde dauern. Unter den Geistlichen war das Sitten-
verderben allgemein, und eben so groß war ihre Unwissenheit,
so daß sie sich die tiefste Verachtung zuzogen. — So bedurfte
es nur noch eines besonderen Anlasses zum Kamps gegen das
Verderben der Kirche, und diesen gab Leo X. Schon seit dem
13. Jahrhundert hatte sich die Lehre ausgebildet, die Päpste
könnten nicht nur die Kirchenstrafen in Geldbuße verwandeln,
sondern auch aus ihrem Gnadenschatze die göttliche Strafe
erlassen (Ablaß), und Alexander VI. dehnte dies Recht auch
auf die Seelen aus, die für ihre Sünden nach dem Tode im
Fegefeuer büßen müßten. Einen solchen Ablaß schrieb Leo X.
für Deutschland aus, weil er Geld brauchte, um den Bau der
Peterskirche fortsetzen zu können, und verpachtete einen Theil
der Einkünfte desselben an den Erzbischof Albrecht von Mainz
und Magdeburg, der den berüchtigten Dominicaner Johann
Tezel als Ablaßprediger nach Sachsen schickte. Dieser trat
mit solcher Unverschämtheit auf, daß Viele darüber empört
wurden, und daß der Professor der Theologie zu Wittenberg,
Dr. Martin Luther, am Abend des 31. Octobers
1517 95 Sätze au die Schloßkirche %vl Wittenberg anschlug,
in denen er den Ablaßkram angriff, ohne damals schon zu
ahnen, daß er damit den Ansang der Reformation und
der Trennung vom Papste gemacht habe.
Luthers, eines armen, aber rechtschaffenen Bergmannes aus
dem Dorfe Möhra unweit Eisenach. Von seinen Eltern streng
erzogen, kam er zuerst aus die Schule in Mansseld, dann in
Magdeburg und endlich in Eisenach, wo er als Enrrendeschüler
kümmerlich lebte, bis ihn die fromme Frau Cotta in ihr
Haus ausnahm. In seinem achtzehnten Jahre bezog er die
Universität zu Erfurt; zwanzig Jahre alt wurde er Magister
der Philosophie und begann philosophische Vorlesungen zu halten.
Nach dem Willen seines Vaters wollte er die Rechtsgelehrsam-
feit studiren; durch seine Rettung aus großer Lebensgefahr und
den unerwarteten Tod eines Jugendfreundes wurde er aber so
tief erschüttert, daß er, um das Heil seiner Seele besorgt, jenen
Plan aufgab und in einem Augustinerkloster zu Erfurt Mömch
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^Luther und Melanchthon. — Martin Luther, den
10. Nov. 1483 zu Eisleben geboren, war der Sohn Hans