Full text: Bilder und Lebensbeschreibungen aus der Weltgeschichte

224 103. Luthers Leben vom Eintritt ins Kloster bis 1517, 
so daß er glaubte, es sei aus mit ihm. Da sprach ein alter Priester zu 
ihm: „Mein lieber Luther, Ihr werdet nicht sterben, sondern Gott wird 
noch eilten großen Mann aus Euch machen, der noch viele Leute trösten 
wird." Er genas denn auch wieder; aber das Studium der Rechts¬ 
wissenschaft, welches er überhaupt nur auf des Vaters Wunsch ergriffen 
hatte, wurde ihm von jetzt an immer mehr zuwider. 
4. Luther geht ins Kloster (1505). Schlimmer als die Ab¬ 
neigung gegen die Rechtswissenschaft war eine große Schwermut, die sich 
Luthers bemächtigte. Gedanken an Tod, Gericht und Verdammnis er¬ 
füllten ihn; er zitterte vor Gott, den er sich nur als einen zürnenden Richter 
vorstellte. Oft dachte er, ob es nicht das beste fei, sich ganz von der 
Welt zurückzuziehen und ins Kloster zu gehen. Was würde aber der 
Vater sagen, der sich so freute, daß fein Sohn auf dem Wege war, ein 
angesehener Mann zu werden? Da geschah etwas, was ihn zu einem 
entscheidenden Schritte trieb. Er hatte feine Eltern besucht und befand 
sich auf der Rückreise nach Erfurt. Plötzlich brach ein grauenhaftes Ge¬ 
witter los; ein mächtiger Blitzstrahl fuhr vor ihm in die Erde. Da sank 
er, von Schrecken durchbebt, zu Boden und rief: „Hilf, liebe Sankt 
Anna (Mutter der Jungfrau Maria), ich will ein Mönch werden!" Dieses 
Gelübde wollte er nachher auch halten, obgleich es ihn manchmal fast 
gereute. Seinem Vater sagte er nichts; denn er dachte: „Wo es meine 
Seligkeit gilt, darf ich nicht fragen, was meine Eltern sagen." Noch ein¬ 
mal versammelte er feine Freunde um sich; auf ihre Vorstellungen aber 
antwortete er nur: „Heute seht ihr mich und nimmermehr!" Am andern 
Tage geleiteten sie ihn mit Thränen an die Pforte des Augustiner- 
klosters zu Erfurt. Die Pforte öffnete sich, Magister Luther trat ein 
und war nun ein armer Bettelmönch. Sein Vater war sehr böse und- 
bekümmert, als Martin ihm das Geschehene anzeigte. 
103. Luthers Leben vom Eintritt ins Kloster 
bis 1517. 
1 Luther im Kloster. Im Kloster hatte Luther ein trauriges 
Leben; er mußte die Zellen und die Kirche ausfegen, die Glocken läuten,,, 
die Thür hüten und in der Stadt, wo er als Magister schon eine ehren¬ 
volle Stellung eingenommen hatte, mit dem Bettelfack umhergehen, um 
bei den Bürgern Eier, Butter und Brot einzusammeln. Die älteren Kloster¬ 
brüder machten ihm mit Fleiß das Leben möglichst sauer; fanden sie ihn so 
recht in die Bibel vertieft, so störten sie ihn auf, indem sie sprachen: „Mit 
Betteln, nicht mit Studieren dient man dem Kloster!" Luther ertrug 
alles geduldig; mit Freuden hätte er es gethan, wenn er nur die Gewi߬ 
heit der Sündenvergebung und der ewigen Seligkeit hätte erlangen können. 
Aber die kam nicht. „Meine Sünde, o meine Sünde!" klagte er. Nicht, 
daß er besondere Schlechtigkeiten auf dem Gewissen gehabt hätte, wie er 
denn in der Beichte keine Thatsachen anzugeben wußte; nein, die allge-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.