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93. Der schönste Baum.
Heinrich Hoffmann von Fallersleben.
Von allen den Bäumen, jung und alt,
von allen den Bäumen groß und klein,
von allen in unserm ganzen Wald,
was mag doch der allerschönste sein?
Der schoͤnste von allen weit und breit,
das ist doch allein — wer zweifelt dran? —
der Baum, der da grünet allezeit,
den heute mir bringt der Weihnachtsmann. —
Wenn alles schon schläft in stiller Nacht,
dann holet er ihn bei Sternenschein
und schlüpfet, eh' einer sich's gedacht,
gar heimlich damit ins Haus hinein.
Dann schmückt er mit Lichtern jeden Zweig,
hängt Kuchen und Nüss' und Apfel dran;
so macht er uns alle freudenreich,
der liebe, der gute Weihnachtsmann.
94. Wie der arme Schneemann im Frühling klagt.
Rudolf Löwenstein.
Was helfen mir die Pelze?
Ich armer Mann zerschmelze.
Der Kopf ist schon zerronnen,
der Rumpf auch hat begonnen.
O weh, schon kommt ein warmer Hauch,
der nimmt mir fort auch meinen Bauch.
Bald geht's beim Sonnenscheine
mir gar auch an die Beine.
Wie kann ich denn noch stehen?
Ich muß, ich muß zergehen!
W wär' ich armer Schlucker
doch wenigstens von Zucker,
daß dann ein gutes Kindlein käm
und mich zu sich nach Hause nähm'! —
Nicht wahr, mein Kind, auch dir wär's reck
du weißt ja, Zucker schmeckt nicht schleck⸗
wenn all der Schnee hier um dich her
nur lauter, lauter Zucker wär'? —
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