Full text: [Teil 3 = Oberstufe, [Schülerband]] (Teil 3 = Oberstufe, [Schülerband])

342 
und der Steinzierrat ihrer Front sind Stolz der Besitzer. In bett 
Städten der Niedersachsen, der Thüringer und Franken ist alter Brauch, 
daß die Straßenwand der vorgerückten oberen Stockwerke durch Pfeiler 
gestützt wird; dann entsteht zwischen dem eingerückten Unterstock und 
den Pfeilern ein gedeckter Gang, die Löben, Lauben, welche an Haupt¬ 
straßen und am Markte geschützten Durchgang gestatten. Ist eine Stadt 
durch große Feuersbrünste verwüstet worden, dann beschließt sie wohl, 
daß alle neuen Häuser ans Ziegeln erbaut werden, so Breslau schon 
im Jahr 1271 nach dem großen Brande; aber das ist eine Ausnahme 
und nicht auf die Länge durchzusetzen, auch in den stolzen Reichsstädten 
stehn auf den Hauptstraßen sehr schlechte und verfallene Häuser neben 
größeren Neubauten. Wie reich sich in dieser Zeit das Leben der Stadt 
entfaltet, das Privatleben und Behagen des einzelnen tritt auch im 
Hänserbau ausfallend zurück vor den Arbeiten der Gemeinde. Denn 
zwischen Herden und Strohdächern erheben sich großartige Kirchen, 
riesige kunstvolle Bauten, in denen die Bürgerschaft mit Stolz zeigt, 
was Geld und Arbeit in ihr vermag. Unter den alten Kaisern der 
Sachsen, Franken, Hohenstaufen sind die großen Paläste der Stadt¬ 
heiligen mit edlen Kuppeln, starken Säulenreihen und hohem Mittel¬ 
schiff aufgerichtet worden; jetzt aber baut nach verändertem Geschmack 
die Stadt ihren Dom mit Strebepfeilern und ungeheuren Fenstern, die 
durch Glasgemälde geschlossen werden, mit hohen Spitztürmen, deren 
kunstvolle Gliederung und durchbrochene Steinmetzarbeit über alle 
anderen Türme gegen die Wolken ragen soll. Es ist ein riesiges Werk, 
berechnet auf die frommen Beiträge vieler Geschlechter. Auch für ihr 
eigenes Regiment baut die Stadt gerade jetzt ein schönes Rathaus, 
zierlich und schmuckvoll, darin einen Saal für die großen Feste der 
Stadt und ansehnlicher Bürger. Aber zwischen Dom und Rathaus 
verhält sich eine kunstlose Wasserpfütze mit schwimmenden Enten, und 
daneben steht der deutsche Dorfbaum, die alte Linde; sie ist dem Bürger 
Erinnerung an eine Zeit, wo seine Stadt noch nicht war, und wo die 
Waldvögel in den Zweigen sangen, ans denen jetzt nur die Sperlinge 
sitzen und im Winter die Krähen. Ländlich sind auch die Umfriedungen 
der Stadt, sogar bei Kirchhöfen oft Holzzäune. In dem neuen Stadtteil 
liegen zwischen den Häusern Gärten für Gemüse, Obst und die Lieblingsblu¬ 
men der Frauen, Nelke, Lack, Rose und Lilie, dort stehn auch Sommerhäuser. 
Der Morgen wird den Bürgern durch Geläut verkündet, und 
die Glocken der zahlreichen Gotteshäuser tönen fast den ganzen Tag
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.