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widrigem Winde von Civita Vecchia nach Gibraltar zu gelangen. Das
Schlimmste ist eine nach Sturm eintretende Windstille. Die See ging sehr
hoch, und das Schiff, welches nun in den Segeln gar keine Stütze mehr fand,
taumelte wie betrunken; man dachte, die Masten müßten brechen. Endlich
tauchte Djebel el Tarik, der Fels des Tank, wie der ursprüngliche Name von
Gibraltar ist, aus der Flut empor. Es ist ein prächtiger Anblick! Über 400 m
hoch, hängt diese schroffe, isolierte Masse nur durch eine ganz flache Sand¬
zunge mit dem europäischen Kontinent zusammen. Gegenüber erhebt sich
auf afrikanischem Boden die andere Herkulessäule, der Affenberg bei Ceuta.
Lange kämpften wir gegen die gewaltige Strömung, welche hier stetig in das
Mittelmeer fließt. Endlich fielen die Anker, und die Festung grüßte mit einen:
königlichen Salut unsere Trauerflagge.
Der erste Schritt an Land führte in eine neue Welt, ein wunderbares
Gemisch von Spanisch und Englisch. Die Pracht und Üppigkeit eines süd¬
lichen Himmels und die Energie und Betriebsamkeit des Nordens sind hier
vereint. Wie Riesen standen die rotröckigen, unbehosten Hochländer zwischen
den blaßbraunen Spaniern mit ihren übergeworfenen Mänteln und den
Arabern, welche noch vielfach herüberkommen in das schöne Land, das ihnen
700 Jahre lang gehörte. Da lagen in ungeheurer Fülle die Trauben, die
Orangen, Datteln und Oliven aus Malaga, Valencia und Granada neben
Kartoffeln und Porterbier aus England; die Hummer, fliegenden Fische und
Delphine aus dem Atlantischen neben dem gedörrten Stockfisch aus dem Eis¬
meer. Über die flachen Dächer, die Balköne und die Gärtchen aus Granaten
und Palmen ragten die Galerien, welche in die Kalkmasse des Felsens in einer
Ausdehnung von einer englischen Meile in drei Etagen eingesprengt sind, mit
ihren Feuerschlünden aus den schottischen Gießereien. Unter dem Getümmel
kleiner Fahrzeuge und zahlreicher Dampfboote erhoben sich drei stolze Linien¬
schiffe mit Britanniens Flagge. Unsere „Amazone", welche wunderhübsch
ist, nahm sich daneben aus, wie wenn einer dieser Kolosse über Nacht ein
Junges geworfen hätte.
Gibraltar ist in beständigem Zunehmen; aber seine eiserne Rüstung er¬
laubt ihm nur, in die Höhe zu wachsen. Die Grundstücke und Mieten sind
unglaublich teuer. Ein Kalkfels und eine Sandscholle bringen nichts hervor,
und von Natur hausen dort nur Rebhühner und Affen. Alles, was Menschen
bedürfen, muß daher zur See gebracht werden, selbst das Trinkwasser, und
das ist der größte Mangel dieser sonst ganz uneinnehmbaren Festung. Die
Spanier stehen 2000 Schritt entfernt mit geladenen Gewehren auf der Land¬
zunge, nicht sowohl gegen einen Angriff als gegen den Schmuggelhandel
gerüstet, welcher hier offen und in großem Stil betrieben wird.
Eine Erlaubnis des Gouverneurs öffnet mir den Zutritt zu allen Festungs¬
werken, zum maurischen Schloß, zun: O Hares-Turm und zun: Telegraphen