Full text: Geschichte der Reformation

18 Schnelle weitere Ausbreitung 
men, und dem Gesetze gleich gelten sollten; glaubten zwar 
dabei eine Auferstehung der Tobten, und das Daseyn höhe¬ 
rer Geister; aber sie prahlten mit ihrer Frömmigkeit und mit 
ihren guten Werken, die daher auch ihren wahren Werth 
verloren. Eie waren streng und ängstlich in Kleinigkeiten, 
aber übertratcn gar oft ohne Scheu die wichtigsten Gesetze; 
forderten von Andern sehr viel, von sich wenig. Sie hatten 
übrigens die angesehensten Männer, Gelehrte, Mitglieder 
des hohen Rathes in ihrer Partei und waren unter einander 
enge verbunden. Wie Jesus über sie, über ihre Scheinhei¬ 
ligkeit und ihren Ehrgeiz dachte, ist bekannt, ob er gleich 
einen Nikodemus, der cs redlich meinte, wohl von den Heuch¬ 
lern zu unterscheiden wußte, so wie auch Gamalicl (Apostelgesch. 
5, 34—38.) und ähnliche Männer zu den Bessern gehörten. 
— Die andre Partcy, von ihrem Stifter Saddok Saddu- 
caer genannt, verwarf zwar die Traditionen, aber auch die 
Lehre von der Auferstehung des Körpers, manche vielleicht 
damit zugleich die Lehre von einer Geisterwclt und von der 
Unsterblichkeit der Seele überhaupt. Sie und ihr Unglaube 
galt vorzüglich an dem Hose der Herodianischen Fürsten. 
Eine dritte Partei, die Essaer, hatte zwar eine strengere, 
reinere Sittenlehre und lebte sehr einig, beschäftigte sich mit 
der Natur und ihren Heilkräften, aber ihre zurückgezogene 
mönchartige Lebensweise war auf die größere Gesellschaft 
nicht anwendbar. — Allein auch unter den Heiden war der 
Religionszusiand beklagcnswerth und zum Untergange reif; 
das Götterwescn (die Mythologie) hatte sich bei den Ge¬ 
bildeten und Klugen überlebt, und kam immer mehr in Ver¬ 
fall. Die Einsichtsvollcrn unter den Griechen und Römern 
hatten ohnehin schon langst nur um des Volks willen die 
Opfer und Gebrauche mit beobachtet, oft aber im Stillen 
darüber gelacht; das Beispiel des trefflichen Sokrates hatte 
ja gelehrt, wie leicht man als Verfälscher der Religion an- 
geklagt werden konnte. Aber jetzt erkannten auch viele im 
Volke die Täuschungen; die Götzentempel wurden leerer 
(Apostelgesch. 19, 27.) und ein großer Theil der Menschen 
verwarf nun alle Religion und ergab sich dem trostlosen Un-
	        
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