1. Der erste Kreuzzug. Eroberung von Jerusalem.
189
V. Die AreuMge.
1. Der erste Kreuzzug. Eroberung von Jerusalem.
Jerusalem war schon seit den Zeiten Constantins nnb seiner
Mutter Helena bas Ziel ber Wallfahrten frommer Christen. Die
Araber, bie sich in ber ersten Hälfte bes 7. Jahrhunderts zu
Herren von Palästina machten, legten den Pilgern keine Hindernisse
in den Weg; verehrten sie doch selbst Jerusalem als einen heiligen
Ort. Anders wurde es schon, als das Land in die Hände der
egyptischen Ch alifen kam. Als sich aber die seldschnkkischen
Türken Jerusalems bemächtigten, da begannen die Drangsale derio
eingebornen Christen und der Pilger unerträglich zu werden. Die
heiligen Orte wurden verunreinigt, die Kirchen entweiht, der Gottes¬
dienst verhöhnt und gestört. Wer von den Pilgern die Stadt
erreichte, mußte oft Monate lang vor den Thoren liegen, dem
Hunger und den Seuchen preisgegeben, um dann nur gegen hohe
Abgaben eingelassen zu werden. Und doch waren gerade fetzt die
Pilgerfahrten in steter Zunahme begriffen. Einzelne und ganze
Schaaren, Geistliche und Laien, Vornehme und Geringe, Männer
und Frauen nahmen Pilgerstab und Muschelhut, um am heiligen
Grabe zu beten. Da wurde denn der Gedanke, Palästina zn einem
christlichen Reiche zu machen, immer mächtiger in den Herzen der
abendländischen Christen. Schon Gregor VII. forderte zn einem
Zuge nach dem heiligen Lande auf, um die Ungläubigen aus dem¬
selben zu vertreiben; aber sein Streit mit Heinrich IV. hinderte
ihn an der Ausführung des Unternehmens, das erst unter seinem
zweiten Nachfolger ins Werk gesetzt werden sollte.
Den letzten Anstoß zu den großartigen Völkerbewegungen nach
Osten, die wir unter dem Namen Kreuzzüge kennen, gab ein Ein¬
siedler, Namens Peter von Amiens. Früher Kriegsmann, hatte
er sich später einem beschaulichen Leben gewidmet und war auch
nach Jerusalem gepilgert. Dort lernte er aus eigener Anschauung
und Erfahrung die Leiden der Christen kennen, und in seinem heiligen
Eifer glaubte er sich berufen, die Christenheit zu einer Heerfahrt
nach dem heiligen Lande zu begeistern. Mit Erlaubniß Papst Ur¬
bans II. zog er durch Italien und Frankreich, mit flammenden
Worten die Menge auffordernd, zum Schwerte zu greifen und das
heilige Grab den Ungläubigen zu entreißen. Seine äußere Er¬
scheinung erhöhte die Macht seiner Reden. Abgezehrt von Hunger
nnd Durst und langen Beschwerden, barfuß und mit entblößtem
Scheitel, in Lumpen gekleidet, einen Strick um die Lenden und in
der Hand ein Kruzifix, so zog er auf einem Esel sitzend von Stadt
zu Stadt, von Land zu Land. Seine unwiderstehliche Beredsamkeit
riß seine Hörer mit sich fort zn gleich schwärmerischer Begeisterung.