131. Die Mühle.
Christian Ferdinand /alkinann.
Wie schön windet sich dieser klare Bach durch das dichte, von Blumen
durchduftete, von Nachtigallen belebte Gebüsch! Ich will seinen anmutigen
Krümmungen folgen, neugierig zusehen, wohin sie den Wanderer führen werden.
— Aber welches Geräusch schallt in mein Ohr! Hat ein Wasserfall den ebenen
meines Baches unterbrochen und den stillen, plätschernden zu diesem Brausen
genötigt, das ich immer stärker vernehme? Nein, ich sehe es, die Menschen
haben den Sohn des Berges zur Dienstbarkeit gezwungen: er muß ihnen eine
Mühle treiben und ihr Korn zum Brot mahlen. Seht, hier schließen ihn statt
der blumigen User schon schnurgerade Mauern ein. Durch jenen hölzernen
Kasten ziehend, besucht er seine Mitgefangenen, die Fische. Dann aber hemmt
eine Querwand von Balken und Brettern seinen Laus, und nur durch einzelne,
von seinem Beherrscher, dem Müller, geöffnete Stellen darf er hinabspringen
auf die Schaufeln des unten befindlichen gewaltigen Rades, um es herumzu¬
drehen durch sein Gewicht und durch seinen Fall. Die durchsichtig grüne Flut
ist in einen sprudelnden Silberstrom verwandelt, der, alles umher benetzend
und bestäubend, sich zwischen den alterschwarzen, moosbedeckten Speichen der
neuen Freiheit zudrängt, die ihm dort unten in der sonnigen Au winkt. Aber
welche Bewegung, welches Getöse erregt der Sprung des Baches hier in diesem
Gebäude! Ich trete hinein und sehe, daß das rastlos kreisende Rad seine
gewaltige Welle durch die Grundmauer des Hauses streckt und in dessen unterm
Geschoß vermittelst der hölzernen Zacken eines kleinern Rades eine mächtige
Eisenstange, die sich in der Decke verliert, in Schwung setzt. Ich steige in
das obere Stockwerk, und nun zittert der Boden unter mir von dem Kreis¬
läufe eines mächtigen, in diesem runden Kasten verborgenen Steines. Ich sehe
die bräunlich-gelbe Körnerslnt aus einem andern schwebenden Kasten, dessen
beweglicher Boden durch einen vom schwingenden Steine geschüttelten Stab in
steter Bewegung gehalten wird, immer neu zufließen. Dort ist ein drittes Be¬
hältnis, das der schüttelnde Beutel mit milchweißem Mehle füllt, während aus
seinem Ende die gröbere Kleie strömt. Wie rasselt es, wie klopft es überall!
Ein seiner Mehlstaub fliegt im ganzen Hause umher und pudert dem Müller
und seinen Gesellen Gesicht und Kleider. Horch, da erschallt ein Glöckchen!
Der Lehrbursche springt zu und gießt neues Korn in jenes hangende Gefäß.
Zu gleicher Zeit öffnet der Geselle die Klappe des Mehlkastens und füllt einem
schon wartenden Kunden den Sack mit dem zarten Marke des Weizens. Vor
der Thür langen eben zwei Esel mit neuem Vorrat von Getreide an, und die
Mahlgäste, denen sie gehören, treten grüßend in die Mühle.
132. Ein Bild des Friedens ans dem deutschen Walde.
E. f. UNsert und /. Wagner.
Giebt es wohl eine lieblichere Sprache hienieden, als das Rauschen der
frischen Laubblätter eines schönen deutschen Waldes? Wahrlich! dem kecksten,
wanderlustigsten Gesellen wird das Herz weich, und er zögert weiter zu schreiten,
wenn an einem sonnigen Frühlingstage die jungen, lichten Bäume, zitternd