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Nimmer sich beugen,
Kräftig sich zeigen,
Rufet die Arme
Der Götter herbei.
Mit einem Herren steht es gut,
Der, was er befohlen, selber thut.
Thu nur das Rechte in deinen Sachen;
Das andre wird sich von selber machen.
Wenn jemand sich wohl im kleinen däucht,
So denke, der hat ein Großes erreicht.
Wem wohl das Glück die schönste Palme beut?
Wer freudig thut, sich des Gethanen freut.
Nicht größern Vorteil wüßt' ich zu nennen,
Als des Feindes Verdienst erkennen.
74./Das Märchen vom Dornröschen.
Es giebt ein unscheinbares aber machtvolles Band, das die Gegen¬
wart unseres Volkes mit der im Sagendunkel sich verlierenden fernsten
Vergangenheit seiner Vorfahren verbindet, wie es im vollen Strom des
Lebens so oft noch Greise und Kinder einander nahe führt. Das ist
das Märchen, unser altes deutsches Volksmärchen, das im tausendjährigen
Verlaufe unserer großen Geschichte mit immer erneuerter, lenzverjüngter
Kraft in zahlreichen Trieben aus dem uralten, zerklüfteten, in die Erde
fast versunkenen aber unverwüstlichen Stamm der Götter- und Helden¬
sage emporsproß. Wenn man diesen Zusammenhang kennt, dann erst
wird man unsere herrlichen deutschen Volksmärchen recht würdigen und
sie in Ehren halten als Stimmen, die aus den Gräbern einer großen
und reichen Vergangenheit zu uns herüber tönen.
In den Tagen, da die germanische Welt sich noch beugte vor Wuotan
oder Odin, wie ihn die nordischen Mythen nennen, lebte auf ihrer „stolz-
betürmten Burg" Brynhilde. oder Brunhild, eine kühne Jungfrau, die
stets nur in ihre Brünne (Panzer) gekleidet sich zeigte. Um ihres Helden¬
sinnes wegen nahm Wuotan sie in die Schar der Walküren auf, die,
auf Wolkenrossen durch die Lust eilend, des höchsten Gottes Befehle
ausrichten, die die Opfer der Schlachten erwMen und sie gen Walhalla
führen. Bald war Brunhilde die gewaltigste und kühnste unter den
Schlachtjungsrauen.