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der starke, kräftige Anker, welchen wir auswerfen in der Stunde der Gefahr
und womit wir das Schifflein unsers Lebens mitten unter den empörten
Wogen und den brausenden Stürmen schützen und befestigen, und so sind
wir denn auch in dieser Hinsicht gewaffnet und gerüstet, um mit hoher
Freudigkeit, mit wohlbegründetem Verträum und unerschütterlicher Ge¬
mütsruhe den wankenden Schauplatz unserer irdischen Wallfahrt zu betreten.
Und das um so mehr, je freudiger und gewissenhafter wir die Pflichten
erfüllen, welche das Leben uns auferlegt. Ein Schiff mit seinen Be¬
wohnern bildet einen Staat im kleinen; es gilt darin eine gewisse
Ordnung; gewisse Gesetze sind vorgeschrieben und jedem Einzelnen sein
Beruf und seine Geschäfte angewiesen, und von dem Zusammenhange
der einzelnen Teile, von dem Ineinandergreifen der verschiedenen Ge¬
schäfte, von der gewissenhaften Erfüllung der einem jeden obliegenden
Pflichten ist die Wohlfahrt des Ganzen bedingt und abhängig. Der eine
regiert mit höchster Machtvollkommenheit das Ganze und erteilt die
nötigen Befehle; der andere sitzt am Steuerruder und lenkt nach dem
Stande der Winde den Lauf des Schiffes; diese haben nach Zeit und
Umständen die Segel auszuspannen oder einzuziehen, jene im Notfall mit
Rudern zu Hilfe zu kommen, und selbst diejenigen, welche nicht zu dem
eigentlichen Schiffsvolk gehören, sondern nur als Reisende die Überfahrt
machen, dürfen nicht unthätig sein oder sich ihrer Willkür überlassen, auch
sie müssen in die bestehende Ordnung sich fügen, den vorgeschriebenen
Gesetzen sich unterwerfen und wenn die Stunde der Not und Gefahr
kommt, zur Rettung des bedrohten Schiffes wirken, zum Besten ihrer
Reisegenossen Opfer bringen und Lasten übernehmen, und wenn es das
Wohl und die Erhaltung des Ganzen erheischt, es sich gefallen lassen,
daß ihr Hab und Gut über Bord geworfen werde. — Unter einem
treffenderen und vollständigeren Bilde läßt sich in der That das mensch¬
liche Leben mit seinen mannigfachen Verhältnissen und Verzweigungen
nicht darstellen. Das gesamte Menschengeschlecht bildet ebenfalls ein
vielgegliedertes, ans unzähligen Teilen zusammengesetztes Ganze, und
gegenseitig bedingt sich auch hier das Wohl des Ganzen und das Wohl
der Einzelnen. Darum muß auch hier eine Ordnung gelten und das
Gesetz über alle, über Hohe und Niedere, seine Herrschaft üben. Darum
hat auch hier jeder seinen angewiesenen Beruf und ein ihm zugeteiltes
Maß von Pflichten und Geschäften. Darum darf auch hier keiner seiner
Willkür frönen oder bloß den eigenen Gewinn und Vorteil im Auge
haben, sondern jeder muß, wie für sich, so auch für das Ganze thätig
sein, an seinem Teil leisten und wirken, was ihm obliegt, und wenn
es die Not erheischt, selbst zu schweren Opfern und schmerzlichen
Versagungen bereit sein. Je freudiger, je unermüdlicher und gewissen¬
hafter aber da jeder in seinem Kreise das Seine thut, desto gesegneter
ist der Zustand des Ganzen, und desto reicherer Gewinn strömt aus
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