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Neugier finden. In Böhmen gebe es Bergwerke. Er solle nur immer an
dem Flusse hinuntergehen; nach zehn bis zwölf Tagen werde er in Eula
sein, und dort dürfe er nur sprechen, daß er gern ein Bergmann werden
wolle. Er habe sich dies nicht zweimal sagen lassen und sich gleich den
andern Tag auf den Weg gemacht. «Nach einem beschwerlichen Gange
von mehreren Tagen», fuhr er fort, «kam ich nach Eula. Ich kann euch
nicht sagen, wie herrlich mir zu Mute ward, als ich von einem Hügel die
Haufen von Steinen erblickte, die mit grünen Gebüschen durchwachsen
waren, auf denen bretterne Hütten standen, und als ich aus dem Tale
unten die Rauchwolken über den Wald heraufziehen sah. Ein fernes Ge¬
töse vermehrte meine Erwartungen, und mit unglaublicher Neugierde und
voll stiller Andacht stand ich bald auf einem solchen Haufen, den man
Halde nennt, vor den dunklen Tiefen, die im Innern der Hütte steil in
den Berg hineinführten. Ich eilte nach dem Tale und begegnete bald
einigen schwarzgekleideten Männern mit Lampen, die ich nicht mit Un¬
recht für Bergleute hielt, und denen ich mit schüchterner Ängstlichkeit
mein Anliegen vortrug. Sie hörten mich freundlich an und sagten mir,
daß ich nur hinunter nach den Schmelzhütten gehen und nach dem Steiger
fragen sollte, welcher den Anführer und Meister unter ihnen vorstellt;
dieser werde mir Bescheid geben, ob ich angenommen werden möge. Sie
meinten, daß ich meinen Wunsch wohl erreichen würde, und lehrten mich
den üblichen Gruß: «Glück auf!» womit ich den Steiger anreden sollte.
Voll fröhlicher Erwartung setzte ich meinen Weg fort und konnte nicht
aufhören, den neuen, bedeutungsvollen Gruß mir beständig zu wieder¬
holen. Ich fand einen alten, ehrwürdigen Mann, der mich mit vieler
Freundlichkeit empfing und, nachdem ich ihm meine Geschichte erzählt
und ihm meine große Lust, seine seltene, geheimnisvolle Kunst zu erlernen,
bezeigt hatte, bereitwillig versprach, mir meinen Wunsch zu gewähren.
Ich schien ihm zu gefallen, und er behielt mich in seinem Hause. Den
Augenblick konnte ich kaum erwarten, wo ich in die Grube fahren und
mich in der reizenden Tracht sehen würde. Noch denselben Abend brachte
er mir ein Grubenkleid und erklärte mir den Gebrauch einiger Werk¬
zeuge, die in einer Kammer aufbewahrt lagen.
Abends kamen Bergleute zu ihm, und ich verfehlte kein Wort von
ihren Gesprächen, so unverständlich und fremd mir sowohl die Sprache
als der größte Teil des Inhalts ihrer Erzählungen auch vorkam. Das
Wenige jedoch, was ich zu begreifen glaubte, erhöhte die Lebhaftigkeit
meiner Neugierde und beschäftigte mich des Nachts in seltsamen Träumen.
Ich erwachte beizeiten und fand mich bei meinem neuen Wirte ein, bei
dem sich allmählich die Bergleute versammelten, um seine Verordnungen
zu vernehmen. Eine Nebenstube war zu einer kleinen Kapelle vorgerichtet.
Ein Mönch erschien und las eine Messe, nachher sprach er ein feierliches
Gebet, worin er den Himmel anrief, die Bergleute in seine heilige Obhut
zu nehmen, sie bei ihren gefährlichen Arbeiten zu unterstützen, vor An¬
fechtungen und Tücken böser Geister sie zu schützen und ihnen reiche
Anbrüche zu bescheren. Ich hatte nie mit mehr Inbrunst gebetet und nie
die hohe Bedeutung der Messe lebhafter empfunden. Meine künftigen Ge¬
nossen kamen mir wie unterirdische Helden vor, die tausend Gefahren zu
überwinden hätten, aber auch ein beneidenswertes Glück an ihren wunder¬
baren Kenntnissen besäßen und in dem ernsten, stillen Umgänge mit den
uralten Felsensöhnen der Natur, in ihren dunkeln, wunderbaren Kammern
zum Empfängnis himmlischer Gaben und zur freudigen Erhebung über