150
Doch schweigend blickt der Jüng¬
ling nieder,
Still legt er von sich das Gewand
Und küßt des Meisters strenge Hand
Und geht. Der folgt ihm mit dem
Blicke,
Dann ruft er liebend ihn zurücke
Und spricht: „Umarme mich, mein
Sohn!
Dir ist der härtre Kampf gelungen.
Nimm dieses Kreuz! Es ist der
Lohn
Der Demut, die sich selbst be¬
zwungen."
, Die Kraniche m Tbykus1)
' ■j}~~ v^i von Friedrich Schiller.
1 Zum Kamps der Wagen und
Gesänge,
Der auf Korinthus' Landesenge
Der Griechen Stämme froh vereint,
Zog Jbykus, der Götterfreund.
Ihm schenkte des Gesanges Gabe,
Der Lieder süßen Mund Apoll;
So wandert' er an leichtem Stabe
Aus Rhegium, des Gottes voll.
2 Schon winkt auf hohem Berges¬
rücken
Akrokorinth des Wandrers Blicken
Und in Poseidons Fichtenhain
Tritt er mit frommem Schauder
ein.
Mchts regt sich um ihn her; nur
Schwärme
Von Kranichen begleiten ihn,
Die fernhin nach des Südens
Wärme
In graulichtem Geschwader ziehn.
3 „Seid mir gegrüßt, befreundete
Scharen,
Die mir zur See Begleiter waren!
Zum guten Zeichen nehm' ich euch.
Mein Los, es ist dem euren gleich;
Von fernher kommen wir gezogen
Und flehen um ein wirtlich Dach.
Sei uns der Gastliche gewogen,
Der von dem Fremdling wehrt die
Schmach!"
4 Und munter fördert er die Schritte
Und sieht sich in des Waldes
Mitte;
Da sperren auf gedrangem Steg
Zwei Mörder plötzlich seinen Weg.
Zum Kampfe muß er sich bereiten,
Doch bald ermattet sinkt die Hand;
Sie hat der Leier zarte Saiten,
Doch nie des Bogens Kraft ge¬
spannt.
5 Er ruft die Menschen an, die Götter,
Sein Flehen dringt zu keinem
Retter;
Wie weit er auch die Stimme
schickt,
Nichts Lebendes wird hier erblickt.
„So muß ich hier verlassen sterben,
Auf fremdem Boden, unbeweint,
Durch böser Buben Hand ver¬
derben,
Wo auch kein Rächer mir erscheint!"
0 Jbykus war ein griechischer Lyriker, der um 530 lebte. S. auch S. 83.