reichte, sprach er: „An diesen Zeichen lerne, daß du väterlich züchtigen sollst,
die dir untergeben sind." „Vor Allem aber", fuhr er fort, „strecke deine
Hand aus voll Barmherzigkeit gegen die Diener Gottes, wie gegen die Wittwen
und Waisen, und nimmer versiege auf deinem Haupte das Oel des Erbar¬
mens, auf daß du hier und dort die unvergängliche Krone zum Lohn empfan¬
gest." Mit diesen Worten salbte er ihn mit dem heiligen Oele, das die
Kirche als ein Zeichen der Barmherzigkeit ansieht, und setzte ihm, unter Bei¬
hülfe des Erzbischofs Wikfried von Köln, das goldne Diadem auf das Haupt.
Als so die Krönung vollbracht war, stieg Otto, schon im Glanze der Krone,
zum Throne empor, der zwischen zwei Marmorsäulen von wunderbarer Schön¬
heit erhöht war, und von wo er das ganze versammelte Volk überblickte und
von Allen gesehen werden konnte. Auf dieser Stelle blieb er während der
Messe, dann stieg er vom Throne herab und kehrte zur Pfalz Karl's des
Großen zurück.
Hier war inzwischen an marmorner Tafel das Königsmahl mit auserle¬
sener Pracht bereitet, und mit den Bischöfen und allen Großen setzte sich der
neue Herrscher zu Tische; es dienten ihm aber die Herzöge der deutschen
Länder. So ist es damals zuerst geschehen und oft dann in der Folge, zum
deutlichen Zeichen, daß die Herzöge der einzelnen Länder den König, der
über das ganze Volk gesetzt war, als ihren Herrn erkannten, und nichts
anders sein sollten und wollten, als die Ersten seiner Dienstleute. Denn
wie an dem Hofhält der deutschen Fürsten von Alters her die mächtigsten
und angesehensten unter den Dienstleuten als Mundschenk, Kämmerer, Truchseß
und Marschall die Person der Fürsten umgaben und ihrer warteten: so leistete
damals der Lothringerherzog, in dessen Gebiet Aachen lag, die Dienste des
Kämmerers und ordnete die ganze Feier, der Frankenherzog sorgte als Truchseß
für die Tafel, der Schwabenherzog stand als oberster Mundschenk den Schenken
vor, und Arnulf von Baiern nahm für die Ritter und ihre Pferde als
Marschall Bedacht, wie er auch die Stelle ersehen hatte, wo man lagern
und die Zelte aufschlagen konnte. Denn die Stadt reichte nicht aus, die
Zahl aller der Herren, die nach Aachen geritten waren, in sich zu fassen.
Als die Festlichkeiten beendet waren, lohnte Otto einen Jeden der Großen
mit reichlicher Gunst und großen Geschenken, und froh kehrten Alle in ihre
Heimat zurück.
Ein Fest, wie dieses, hatten die deutschen Völker nie gesehen, und nie
ist eine Krönungsfeier von gleicher Bedeutung wieder begangen worden. Sie
gab gleichsam dem Baue, den König Heinrich's I. Thaten begründet hatten,
die Weihe. Die Vereinigung aller deutschen Stämme unter ein Haupt
fand hier ihren öffentlichen Ausdruck; man beging das Fest der Gründung
des deutschen Reichs.
24. Das Ritterwesen.
(Von Ernst Alexander Schmidt.)
Bereits in den Heeren der deutschen Völkerwanderung galt der Kriegs¬
dienst zu Pferde für ehrenvoller, und nur diejenigen, welche zu unbegütert
waren, um sich ein Strcitroß anzuschaffen, kämpften zu Fuß. Als das Lehns¬
wesen mehr und mehr herrschend wurde, waren es die Lehnsbesitzer, welcke
den Kriegsdienst zu Pferde leisteten, und das Ansehen dieser Art des Dienstes
mußte in demselben Maße steigen, als diejenigen, welchen er eigen war, sich