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be§ Feldmarschalls Prinzen Friedrich Karl über Troyes und eine neugebildete
Armee-Abtheilung unter dem Großherzog von Mecklenburg-Schwerin weiter
westlich gegen die Loire, während die NI. unter dem Kronprinzen von Preußen
und die Maas-Armee den Ring um die französische Hauptstadt geschlossen
hielten. Es fallen in diese Periode mehrere Ausfallgefechte bei Paris, die
siegreichen Kämpfe bei Dreux, bei Pasques, bei Amiens, die Schlacht bei
Beaune la Rolande, die Tage von Loigny und Artenay und bei Orleans,
bie Gefechte zwischen Beaugency und dem Walde von Marchenoir, bei
Vendome, Drou6 und Ruits, die Schlachten bei Le Mans und bei St. Quentin.
Die Niederlagen aller zur Entsetzung der Hauptstadt bestimmten Armeen er¬
möglichten am 27. December den Beginn der Beschießung der Forts von
Paris, am 5. Januar den der Stadt selbst. Nach einer artilleristischen
Thätigkeit von kaum vier Wochen, welche selbst durch den Massen-Ausfall
am 19. Januar nicht unterbrochen werden konnte, wurde am 28. Januar
bie Capitulation der Forts von Paris abgeschlossen. So hat denn in kaum
siebenmonatlichem Feldzuge die deutsche Heeresleitung zwei feindliche Armeen
in die Kriegsgefangenschaft des eigenen Landes abgeführt, eine dritte vor¬
läufig in der feindlichen Hauptstadt ohne Waffen und Kriegsmaterial kriegs-
tzefangen eingeschloffen und die vierte gezwungen, auf neutralem Gebiete sich
interniren zu lassen. Außer diesen großartigen Erfolgen aber hat das Cer-
nirungsheer durch die Erzwingung der Capitulation der stark befestigten,
überreich armirten Landeshauptstadt mit ihren zwei Millionen Einwohnern
und etwa einer halben Million Truppen eine der größten Aufgaben der Kriegs-
sührung aller Zeiten gelöst. Wohl nie sind in einem so kurzen Zeitraume so viele,
so bedeutende Feldschlachten siegreich geschlagen, eine so lange Reihe von Be¬
lagerungen glücklich durchgeführt, so zahlreiche Festungen und feste Plätze des
Feindes genommen, vier große Armeen für den weiteren Verlauf des Krieges
unfähig gemacht worden. Die Kriegsgeschichte kennt keine Beispiele ähnlicher
Leistungen in einem siebenmonatlichen Feldzuge.
III. Didaktische Prosa.
a>. Einzelne Sprüche, Sentenzen und Kegeln.
1. Ich gehe niemals durch den Wald, daß mir nicht einfiele / wer
doch wohl die Bäume wachsen lasse; und dann ahnt mir so von ferne und
leise etwas von einem Unsichtbaren, und ich wollte wetten, daß ich dann an
l^ott denke, so ehrerbietig und freudig schauert mich dabei.
-- M. Claudius.
2. Der Irrthum ist viel leichter zu erkennen, als die Wahrheit zu
Ünden; jener liegt auf der Oberfläche, damit läßt sich wohl fertig werden,
bwse ruht in der Tiefe, danach zu forschen ist nicht Jedermanns Sache.
Goethe.
3. Es ist nicht zu berechnen, welchen Vortheil wir hätten, gewöhnten
Slr uns bestimmt, eine Stunde des Tages unsere Gedanken mit einiger
ufmerksamkeit auf unser Herz, unsere Kräfte, Schwächen und Neigungen zu
achten. Haben wir nur erst die Kenntniß von unserm Innern, dann ist ein
Inster, ja beinahe der schwerste Schritt zur Vervollkommung geschehen.
- Schiller.
IG
Pütz, Deutsches Lesebuch. 6. Ausl.