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B. Beschreibende Prosa. VI. Naturbilder.
Seine Nahrung besteht vorzugsweise in toten Wassertieren und in
weichen Pflanzenstoffen; auch frißt er gern das Fleisch ertrunkener warm—
blütiger Tiere. Um die Krebse in den Teichen recht groß und schmackhaft
werden zu lassen, füttert man sie fleißig mit Fleischabgängen, Gedärmen und
dergleichen.
Das Krebsweibchen legt im Frühlinge etwa zweihundert Eier, und diese
haften vermittelst klebriger Stielchen an den kleinen, unter dem Schwanze
der Mutter befindlichen Füßen fest. Sobald im Juni oder Juli die Jungen
ausgekrochen sind, bleiben sie anfangs dort noch sitzen; dann wagen sie sich
allmählich aus dem Versteck hervor, spielen in der Nähe umher und flüchten
bei jeder Gefahr sogleich wieder hinein. Vom Juli bis September wirft
der Krebs seine Schale ab; er bleibt dann einige Tage weich und muß sich
währenddessen vor seinen vielen Feinden, besonders auch vor seinesgleichen
sehr verbergen, weil ihn diese sonst unerbittlich fressen. Vor der Häutung
bilden sich in seinem Magen zwei runde, halbkugelige Körper, die man
Krebssteine nennt und die aus kohlensaurem Kalk bestehen. Sie werden bei
der Häutung ebenfalls ausgeworfen. Früher fanden fie in den Apotheken
Verwendung, und auch jetzt werden sie wohl noch von unwissenden Leuten
dazu gebraucht, um ins Auge geflogene fremde Körper zu entfernen.
Wird dem Krebse eine Schere beim Haschen und Fangen abgerissen
und er entkommt, so wächst ihm dies Körperglied wieder neu. Obwohl
meistens bedeutend kleiner, kann er doch zuweilen eine Länge von 18,3 em
erreichen und wohl zwanzig Jahre alt werden.
73. Die Duͤrre in der Heide.
Von Adalbert Stifter. Studien. Pest, 1855.
Pfingsten kam näher und näher. Der glänzende Himmel war wochen—
lang glänzend geblieben, und wohl hundert Augen schauten nun ängstlich
zu ihm auf. Eines Nachmittags stand über der verwelkenden Heide eine
jener prächtigen Erscheinungen, die wohl öfters in maoxrgenländischen Wüsten
gesehen werden, nämlich Vs Vallexziehen der Sonne, Aus der ungeheuren
Himmelsglocke, die über der Heide lag, wimmeind von glänzenden Wolken,
schossen an verschiedenen Stellen majestätische Ströme des Lichts, und aus—
einanderfahrende Straßen am Himmelszelte bildend, schnitten sie von der
gedehnten Heide blendend goldene Bilder heraus, während das ferne Moor
in einem schwachen, milchichten Höhenrauche verschwamm. So war es dieser
Tage oft gewesen, und der heutige schloß wie seine Vorgänger; nämlich abends
war der Himmel gefegt und zeigte eine blanke, hochgelbschimmernde Kuppel.