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Heinrich Heine.
5. Ich tret' in die Burgkapelle
Und suche des Ahnherrn Grab;
Dort ist's, dort hängt vom Pfeiler
Das alte Gewaffen herab.
6. Noch lesen umflort die Augen
Die Züge der Inschrift nicht.
Wie hell durch die bunten Scheiben
Das Licht darüber auch bricht.
7. So stehstdu, o Schloß meiner Väter,
Mir treu und fest in dem Sinn
Und bist von derErdeverfchwunden.
Der Pflug geht über dich hin.
8. Sei fruchtbar, o teurer Boden,
Ich segne dich mild und gerührt,
Ich fegn' ihn zwiefach, wer immer
Den Pflug nun über dich führt.
9. Ich aber will auf mich raffen-.
Mein Saitenspiel in der Hand.
Die Weiten der Erde durchschweifen
Und singen von Land zu Land.
99. Frisch gesungen.
1829.
1. Hab' oft im Kreise der Lieben
In duftigem Grafe geruht
Und mir ein Liedlein gesungen,
Und alles war hübsch und gut.
2. Hab' einsam auch mich gehärmet
In bangem, düsterem Mut
Und habe wieder gesungen,
Und alles war wieder gut.
3. Und manches, was ich erfahren,
Verkocht' ich in stiller Wut,
Und kam ich wieder zu singen.
War alles auch wieder gut.
4. Sollst nicht uns lange klagen.
Was alles dir wehe thut.
Nur frisch, nur frisch gesungen?
Und alles wird wieder gut.
Heinrich Heine.
Sämll. Werke. Bd. I, II u. V. Hamburg. 1885. Hoffmann & Campe.
100. Frühlingslied.
1. Leise zieht durch mein Gemüt
Liebliches Geläute,
Klinge, kleines Frühlingslied,
Kling hinaus ins Weite.
2. Kling hinaus bis an das Haus,
Wo die Blumen sprießen.
Wenn du eine Rose schaust.
Sag, ich lass' sie grüßen.
101. Die Wallfahrt nach Kevlaar.
1. „Willst du nicht aufstehn, Wilhelm,
Am Fenster stand die Mutter, Zu schaun die Prozession?"
Im Bette lag der Sohn. „Ich bin so krank, o Mutter,