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Dritter Zeitraum: 1789—1815.
dualistischen Theilung der obersten Leitung des deutschen Bundes zwischen
den beiden deutschen Großmächten. Stein war wohl ein Mann der Ver¬
waltung, aber in constitutiven Dingen ein Neuling, wie alle Deutschen jener
Zeit. Während daher die Preußischen Staatsmänner sich in Entwürfen
erschöpften, wollte Metternich im eigenen, wohl erwogenen Interesse, keine
eigentliche Verfassung, sondern nur ein ausgedehntes System von Verträgen
und Bündnissen zwischen den deutschen Fürsten zum Schutz gegen außen, ohne
Rücksichtnahme auf die innere Verwaltung. Schon im December 1814 reichte
Philipp von Wessenberg einen Entwurf ein, der im Wesentlichen das enthielt,
was später geworden ist. Die Bundesglieder sollten gleiche politische Rechte
haben und theils einzelne, theils collective Stimmen im Bundesrathe führen.
Doch wurde die Berathung verzögert, selbst als Napoleon bereits wieder in
Frankreich herrschte, und dann endlich in eilf rasch einander folgenden
Sitzungen (23. Mai bis 10. Juni 1815) unter dem Drange der Verhältnisse
die deutsche Verfassung zu Stande gebracht. Der zufolge sollte über gewöhn¬
liche Gesetze in einer engern Versammlung des Bundestages (von 17
Stimmen) nach der Mehrheit der Stimmen entschieden werden; die wichtigern
Beschlüsse aber über organische Bundeseinrichtungen und Abänderungen der
Bundesgesetze sollten in einem Plenum, worin jeder kleinste Staat eine
Stimme, die großen mehrere hatten, nur durch Stimmeneinheit gültig werden.
111. Die „hundert Tage" -es zweiten französischen Kaisertums,
1815.
(Nach Ludwig Häusser, Deutsche Geschichte "feit dem Tode Friedrich's des Großen,
Felix Eberty, Geschichte des preußischen Staates, und Andern, bearbeitet
vom Herausgeber.)
Die in Frankreich wiederhergestellte Dynastie der Bourbonen, von der
Napoleon sagte, sie habe nichts gelernt und nichts vergessen, hatte alsbald
ihre Unfähigkeit beurkundet, den Abgrund der Revolution durch eine dauer¬
hafte Schöpfung zu schließen. In den ersten Augenblicken hatte man aller¬
dings die Rückkehr des schwer heimgesuchten Hauses der alten Könige
Frankreichs mit Freude, ja mit Begeisterung begrüßt, indem der eiserne
Druck eines straffen, militärischen Regiments aufzuhören schien, aber bald
trat die Neigung der Bourbonen zu altköniglichem Absolutismus unzweifel¬
haft hervor und fand ihre Stütze in den ehemals privilegirten Ständen, die
an unbedingte Herstellung ihrer alten Güter und Rechte dachten. Das
Jahr 1814 war noch nicht zu Ende, und schon war der grellste Umschwung
gegen die Stimmungen vom Frühjahre eingetreten. Nicht nur das Heer,
das sich in seinen Erinnerungen wie in seinen Ansprüchen gekränkt fühlte,
bildete das über ganz Frankreich ausgebreitete Gewebe einer unsichtbaren