Full text: [Teil 4 = Quarta, [Schülerband]] (Teil 4 = Quarta, [Schülerband])

Siemens: Der Schiffbruch der Alma. 
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erwachten aufs neue. Das Schiff näherte sich uns bald, bald ent¬ 
fernte sich's wieder; die Hoffnung begann sich zu regen, daß es uns suche. 
Da endlich schien es unsere Signale §u bemerken, es nahm den Kurs 
gerade aus die Insel zu. Kein Zweifel mehr! die Rettung nahte, und 
ihre Gewißheit machte auch die beinahe schon Toten wieder lebendig. 
Wir erkannten unser Begleitschiff bei der Kabellegung und Newall, 
unseren Retter, an feinem Bord. 
Es waren unvergeßliche Szenen, die sich jetzt abspielten. Auf dein 
Schiffe herrschte rege Tätigkeit zur Ausführung der Landung. Niemand 
schien Notiz zu nehmen von dem vielhundertstimmigen Freudenjubel, 
der der Schiffsmannschaft entgegentönte. Der Anker raffelte nieder, 
und die Boote schossen ins Wasser. Sie trugen Tonnen voll Wasser 
unb flache Holzgefäße, die dann durch kräftige Matrosenhände aus deni 
Lande aufgestellt und mit Wasser gefüllt wurden. Man wußte durch 
Mr. Newall, daß uns das Wasser mangelte, und wollte zunächst unsern 
Durst stillen. Es stürzte sich auch sofort alles auf die großen Holz¬ 
gefäße und suchte, mit der hohlen Hand Wasser aus ihnen zu schöpfen. 
Aber das ging langsam, und andere drängten nach. Da wurde ein¬ 
fach der Kops niedergebeugt und mit gierigen Zügen das köstliche Naß 
geschlürft. Auch die Tiere hatten das Wasser gespürt und drängten 
sich mit unwiderstehlicher Kraft heran, obgleich sie tagelang schon wie 
tot unter den Zeltdächern gelegen hatten. Ein großer Hammel schob 
alles beiseite und steckte seinen Kopf zwischen dem einer schönen Blondine 
und dem eines Negers in das Faß, ohne daß diese sich stören ließen. 
Es waren Bilder, die gewiß allen unvergeßlich geblieben sind, die sie 
gesehen haben. 
Da die Zahl von etwa 500 Passagieren und Schiffsvolk für beit 
Transport durch das kleine Kriegsschiff zu groß war, wurde von feinem 
Kapitän beschlossen, die Schiffsmannschaft mit einer Matrosenmache 
des Kriegsschiffes auf der Insel zurückzulassen und wegen ihrer 
Meuterei in strenger Zucht zu halten, die sämtlichen Passagiere aber 
an Bord zu nehmen und nach Aden zurückzubringen. So kamen 
wir, in fürchterlicher Enge ans dem Deck des kleinen Schiffes zusammen¬ 
gepreßt, wieder in Aden an, wo man schon mit Unruhe die telegraphische 
Nachricht unserer Ankunft in Suez erwartet hatte. Auf Befehl des 
Gouverneurs von Aden mußte der nächste indische Passagierdampfer 
trotz seiner Überfüllung noch fast die ganze Zahl der Schiffbrüchigen 
aufnehmen. Wir ertrugen aber gern die Beschwerden dieser Überfahrt 
und der weiteren von Alexandria nach Marseille und dankten Gott, 
daß wir nicht ein tragisches Ende auf dem einsamen Korallenfelsen der 
Harnisch-Inseln gefunden hatten.
	        
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