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Schachen war, sah sie hoch an der Lehne ein Gehöft. Unterwegs
steilan fragte der Vater seine Ehegesponsin, wieviel Schinkenbrot
sie eigentlich mitgehabt und verloren habe? Wieviel Uhr es etwa
sein möchte? Warum sie an so einem Tag ihre Taschenuhr zu
Hause gelassen? Ob der Kanarienvogel daheim in seinem Bauer
wohl versorgt wäre mit Futter und Wasser? Als die Frau derlei
Fragen schnaufend beantwortet, ries er ihr ebenso schnaufend zu:
„Daß die Weibsbilder aber den Mund schon einmal gar nicht
halten können! Schwatzen sollst nicht, beim Bergsteigen, sage ich!"
Endlich waren sie am Gehöft. Das lag breit und behäbig da,
und weil sie weder sprechen durften noch konnten, so dachten sie
sich ihr Gottlob, und daß sie doch endlich was würden zu essen
bekommen. Die Tore der Stallungen und Scheunen standen offen,
und auch die Haustür, zu sehen aber war kein lebendiges Feder¬
lein. Sie gingen in das luftige Vorgelaß, in die große, dumpfige
Stube, dort setzten sie sich auf die Bank und hörten, daß es toten¬
still war, und sahen, daß niemand zu sehen war. Der Herr Vater
ging zuerst im Hause herum, ging' in den Ställen und Stadeln
herum und suchte Leut. Er fand niemand. Dann ging die Frau
Mutter in die Küche, machte einen großen Kasten auf und fand
Milch, Brot, Butter und Honig. Allsogleich wollten sie Hand
anlegen, besonders die schlanken Töchter, da sprach aber — und
sehr zur Unzeit — beim Herrn Vater das Gewissen drein.
Sie hatten sich gesagt, daß sie niemand Schaden tun wollten,
und jetzt sollten sie da einen Raub ausführen? Sollten sich Sachen
aneignen, ohne ein Recht darauf zu haben? Das darf platterdings
uicht sein. — Die ältere Tochter aber tauchte ihren Zeigefinger
in den Rahmtopf und leckte ihn ab. Die Frau Mutter verwies
heftig, daß sich so was nicht schickt — ohne Löffel in die Töpfe
3U greisen. Sie fand in der Tischlade Eßzeug, und gerade als ob
ste daheim wäre am eigenen Herd, deckte sie den Tisch und trug
bie lockenden Sachen ordentlich auf. Der Herr Vater erging sich
so lange in schönen Moralbetrachtungen über Mein und Dein, bis
kr mit einer großen Schnitte Butterbrot seinen Mund zustopfte.
„Wir werden ja Geld dalassen! Einen ganzen Gulden!" Mit
biesem Vorsatz beschwichtigten sie ihre grübelnden Gemüter. Doch
als der erste Heißhunger gestillt war, fand der Herr Vater, daß
ein halber Gulden auch genug wäre.
Paldamus-Rehorn, Lesebuch. AuSg. E. Seil 6.
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